Es ist alles so schrecklich – Risiken, wo man hinschaut

Hier folgt nichts Wissenswertes, ich will nur mal kurz einem Gefühl Ausdruck verleihen:

Ich muss zugeben, dass ich die Thesen von Viktor Mayer-Schönberger kaum kenne. Gerade eben habe ich diesen ZEIT-Beitrag zum Thema “Digitales Erinnern” gelesen und ein schlechtes Gefühl zurückbehalten. Dort werden ja viele wichtige und diskussionswürdige Aspekte angesprochen. Für meinen Geschmack wird das Ganze aber in einen leider üblichen Weltuntergangs-Stimmungsteppich eingewebt. Sinngemäß: Es ist alles so schrecklich und es wird alles immer noch schlimmer, oje oje, Gefahr Gefahr …

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»Das Netz verweigert uns Menschen die Gelegenheit zur Entwicklung, zum Wachsen und Lernen«, schreibt Viktor Mayer-Schönberger, »und lässt uns hilflos die Wahl zwischen zwei gleichermaßen beunruhigenden Optionen: einer permanenten Vergangenheit und einer ignoranten Gegenwart.«

Und es kommt noch schlimmer. Mit jedem Tag nimmt der Grad der Vernetzung zu. Wenn ich ein Bild von mir lösche, kann es schon hundertfach kopiert irgendwo im Internet zu finden sein.
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Jede Neuerung birgt Chancen und Risiken. Das ist immer so, denke ich. Mit beiden Aspekten kann man sich beschäftigen. Die Risiken sind jedoch meist sichtbarer, weil der Mensch ja gern jede Abweichung vom Gewohnten als potenzielle Gefahr betrachtet. Die Chancen jedoch müssen erst erkannt, herausgearbeitet und gestaltet werden. Die Risiken zu betonen ist also gewissermaßen billig und das dünne Brett, welches daher gern gebohrt wird.

Ebenso gut hätte man also auch in dem ZEIT-Beitrag in den Vordergrund rücken können, wie grandios es ist, dass wir endlich und erstmals in der Geschichte “alle” relevanten Informationen speichern und bewahren können (was ja im Detail aber gar nicht so leicht ist, wenn man Archivaren folgt). Es ist doch schön, dass die Informationen auch nicht verloren geht, wenn mal eine Bibliothek in Weimar abbrennt oder ein Archiv in Köln versinkt. Schön auch, dass so viele Menschen Zugang zu diesen Informationen haben. – Aber nein, wir müssen wieder zwanghaft das vermeintlich uns Bedrohende suchen und hervorkehren sowie zudem noch Panik machen mittels Vergleichen, die aus meiner Sicht hinken.

Mir geht es auch gar nicht um diesen konkreten Fall oder die Detail-Argumente, sondern um ein generelles Genervt-Sein. Ich habe das Gefühl, dass “bei uns” ständig überproportial stark die Risiken diskutiert werden, oft ohne dass die Chancen zu mehr als für die Einleitung genutzt werden. Ich finde das ermüdend. Ich frage mich zudem, wie man die zweifellos stark vom Internet geprägte Zukunft adäquat gestalten will, wenn man meist dagegen ist.

Umso schlimmer ist es, dass jene, die sich intensiv mit dem Netz beschäftigen und die Chancen in die Gesellschaft kommunizieren müssten, nicht viel anders auftreten. Ich finde nämlich, dass Sascha Lobo ganz Recht hat, wenn er feststellt:

Das deutschsprachige Internet ist nicht links, es ist nicht progressiv, es ist nicht revolutionär – es ist dagegen. Das Netz hat sich zu einer dauerstampfenden Empörungsmaschine entwickelt, Neinsagen ist sexy, Neinschreien noch sexier. Positiv scheinendes Engagement muss unter Ironieverdacht gestellt werden

Auch hier hat er Recht:

Die entstehende digitale Gesellschaft braucht – sehr schnell – ein parteiübergreifendes, politisches Konzept für die digitale Demokratie, inklusive geeigneter Plattformen und Technologien. Vor allem aber muss die Netzöffentlichkeit selbst endlich die Kraft und den Mut aufbringen, die bequeme Standard-Gegnerschaft abzulegen. Aus der “kritischen Bildungselite” muss die “konstruktiv-kritische Bildungselite” werden.

Konstruktives ist gefragt und nicht nur Destruktives. Dagegen sein ist leicht. Daher finde ich solche Initiativen gut: digitalegesellschaft.de.

Jetzt kommt die Stelle, wo man sagen muss, was man selbst unternimmt, um nicht so leicht angreifbar zu sein. Daher verweise ich mangels besserer Alternativen zumindest auf mein ProjektIch mach was mit Büchern“, wo ich für die Buchbranche, in der ich beruflich tätig bin, eine durchaus wahrgenommene Plattform betreibe, über sich andere Leute vernetzen können und über die besonders auch die Chancen des Netzes im weitesten Sinne unterstrichen werden. Nicht durch Appelle, wie es in vielen Blogs üblich ist, sondern durch persönliche Beispiele anderer Menschen, die oft viel mehr bewirken, wenn man etwas verändern möchte.

via: neunetz.com

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