Wer Transparenz von Staat und Unternehmen fordert, muss auch privat mit ihr leben

Wer Transparenz von Staat und Unternehmen fordert, muss auch privat mit ihr leben

Die durch das Internet ermöglichte Transparenz gutzuheißen, ist ja fast schon eine Plat­ti­tü­de. Die meisten bejahen sofort deren Nutzen – v.a. wenn die Transparenz gegenüber eher abstrakten Gebilden wie Staaten und Unternehmen eingefordert wird. Doch wie steht es um unsere Transparenz-Euphorie, wenn wir plötzlich selbst betroffen sind?

Die Plattform wen-datet-er-noch.de soll Frauen unterstützen und all den “Fremdgehern, Parallel-Datern und Online-Casanovas” das Leben schwer machen. So funktioniert’s:

Sie geben den Vor- und Zunamen bzw. Nicknamen und den Wohnort des Mannes sowie die optionalen Suchkriterien (wenn bekannt) in die Suchmaske ein. Hat eine andere Frau genau diese Angaben bereits im Portal hinterlegt, war Ihre Suche erfolgreich. In diesem Fall wird Ihnen automatisch der Nickname derjenigen Frau, die ihn bereits online zur Suche gestellt hat, angezeigt. Sie können mit dieser Frau nun in Kontakt treten, indem Sie ihr eine Nachricht übersenden.

Es lässt sich auch ein regelrechtes Fremdgeher-Monitoring einrichten:

Wenn Ihre Suche (noch) keinen gewünschten Treffer ergab, so können Sie den Namen bzw. Nickname des jeweiligen Mannes sowie den Wohnort und weitere optionale Angaben im Portal hinterlegen. Sie werden umgehend informiert, wenn eine andere Frau genau diesen Namen sucht und können dann in Kontakt zu dieser Frau treten.

Unabhängig vom Geschäftsmodell und den Erfolgsaussichten der Plattform finde ich interessant, dass hier der Transparenz-Gedanke im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen wirksam wird. Und das ist ja nur ein Beispiel, wie sich sowas aufziehen lässt. Ich denke aber, dass wir mit allen Arten solcher Plattformen künftig werden leben müssen. Das sollten wir vielleicht bedenken, wenn wir das nächste Mal die Transparenz hochleben lassen und sie von den großen Organisationen wie selbstverständlich einfordern.

Eine Plattitüde ist übrigens auch, dass Überwachung durch den Staat oder durch Unternehmen nicht unbedingt wünschenswert ist. Die Überwachung durch die “Crowd” wird für so manchen unter uns aber mindestens ebenso unangenehm werden oder ist es schon. Stichwort Rottenneighbor.com & Co.

Ergänzung/Erläuterung (siehe Kommentare):
Ich wollte Unternehmen/Staaten nicht mit (Privat-)Personen gleichsetzen. Dass es da Unterschiede gibt, ist ja klar. Beide bewegen sich aber im gleichen Umfeld mit dessen technischen Möglichkeiten. Mein Eindruck ist, dass nicht wenige Leute die Nutzung dieser Möglichkeiten sehr schnell bejahen, wenn es eben um die Transparenz von Staaten/Unternehmen geht, aber nicht immer im Blick haben, dass sie selbst schnell in den Fokus geraten können. Das erscheint mir manchmal etwas unkritisch, wobei das natürlich subjektiv ist. – Ob der Einsatz der Technik dann im Einzelfall auch sinnvoll/wünschenswert ist, ist eine andere Frage.

—————————————————-
Abo + Austausch: Feed, E-Mail, Facebook, Google+, Twitter, Xing, LinkedIn

Anzeige (falls eingeblendet)

Schreibe einen Kommentar