Gesine von Prittwitz über A-, B- und C-Autoren und die Programmplanung bei Buchverlagen

Die immer interessante Rowohlt-Autorin Kathrin Passig hat die erfahrene Buchmarkt-PR-Frau Gesine von Prittwitz (prittwitzundpartner.de) interviewt und ihr u.a. einige interessante Aussagen über den Buchmarkt und die Autoren-Verlag-Beziehung entlockt. Über diese Beziehung werden wir auch am 30.07. in Frankfurt mit Cora Stephan diskutieren.

Bekanntlich verdienen wenige Autoren sehr gut und viele sehr schlecht. Es gibt da durchaus einen Zusammenhang zu dem Vorgehen der Verlage, was nicht jedem angehenden Buchautor bewusst ist:

(…) Fakt ist, dass du als Verlag A-, B- und C-Titel hast, und für den A-Titel fasst du Geld an, da machst du Pressearbeit, da schaltest du Werbung, da lässt du dich auf die Konditionen ein, die da eben diktiert werden von den Großen. Alles andere sind im Grunde genommen Platzhalter. Den Autoren gegenüber wird das bemäntelt, man spricht da nicht so gern drüber. Das merkst du jetzt auch hier, wenn wir vom Buch sprechen, dann hast du immer diese Aura Buch, das Kulturgut Buch. Damit wird vieles bemäntelt.

Im Grunde genommen verhandeln die ja das Buch wie einen Autoreifen. Es geht hier um Verkaufen, und dann setzen wir eben … ja, in der Regel hast du vielleicht – je nach Größe des Verlages – drei A-Titel. Um die dreht sich alles, und der Rest fällt durchs Raster. Und der Buchhandel remittiert, das ist unglaublich, wie schnell die remittieren. Was nicht läuft, wird verramscht. Ich meine, das sagst du ja deinem Autor nicht, dass sein Buch nur ein B-Titel ist. Da kann man eigentlich nur hoffen, dass sich halt durch diese Entwicklung, über die du schreiben willst, ein bisschen was verändert. Weil die Verlage halt irgendwann lernen müssen, auch mit offeneren Karten zu spielen. Das ist so ein gängiges Argument, “der Leser wollte das nicht”. Wer diktiert denn den Lesergeschmack, frag ich mich immer.
(…)

Sie spricht auch darüber, wie die Programmplanung mancher Verlagshäuser anscheinend abläuft:

(…)
Heute ist es so, dass wir von XY – also dieses Haus gehört einem Konzern, den nenne ich jetzt mal XY – von XY kriegen wir Vorgaben, und diese Vorgaben müssen wir erfüllen. Das sind die sogenannten Programmplätze. Und es ist nicht nur die Menge der Bücher, sondern die Erscheinungsrhythmen werden ja auch immer kürzer. Wir haben mittlerweile drei Auslieferungen, nicht mehr nur Frühjahr und Herbst, es gibt auch noch die Weihnachtsauslieferung.

Und jetzt hat irgendjemand entschieden: Apfelessig ist gerade in, also machen wir jetzt Apfelessig. Vor Jahren war es mal Apfelessig, das ist schnurz, setz ein, was du willst. Dann müssen die mit heißen Nadeln ihre Programmplätze besetzen. Da werden Titeleien eingekauft, keine Bücher. Und dann werden Agenten angerufen: “Habt ihr was in der Art?”, und die suchen dann händeringend Autoren. Dann ist die Vertreterkonferenz, da wird das Programm vorgestellt. Da weiß keiner etwas, außer: Apfelessig und Teebeutel, wie mach ich das? Und dann kommt irgendwann ein Buch ins Haus. Das muss aber eigentlich schon gedruckt werden, das ist hanebüchen. Dann sitzt der Lektor da und schlägt das Ding auf, und es steht aber womöglich was völlig anderes drin. Die Vorschau ist aber schon gedruckt! Und es ist auch schon spezifiziert worden, das ist unser A-Titel. Und da ja dann meistens keiner mehr Zeit hat, irgendwas zu lesen, bin ich dann oft als Pressezuständige das letzte Glied. Ich schlag dann das Ding auf und stell fest: Hey, der schreibt überhaupt nicht über Apfelessig, sondern der schreibt über Brombeertee! Das ist jetzt zugespitzt, aber so läuft das. (…)

Diese Art der Programmplanung führe auch dazu, so von Prittwitz weiter, dass viele befähigte Autoren nicht in die Verlage kämen, weil es eben von der Meta-Planung gerade nicht passt.

Interview komplett lesen.

Gesine von Prittwitz hat sich auf ihrem Blog auch zu den Reaktionen auf das Interview geäußert.

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