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Neuer Raum für Neue Arbeit

12.10.2017 / 15:00 bis 16:00

„Space ist the place der die Flüchtigen liebt.“
– aus: „Libertatia“ von Ja, Panik

Analog und Digital

Das Analoge und das Digitale sind keine sich gegenseitig ausschließenden Sachverhalte, viel mehr beeinflussen sie sich gegenseitig, da sie sich entweder miteinander verbinden oder zumindest deckungsgleich zueinander verhalten. Denken wir also über die Arbeitswelt einer digitalisierten Gesellschaft und Wirtschaft nach, müssen diese zwei Seiten, das Analoge und das Digitale, sowie das Verhältnis zueinander, mitbedacht werden. Das eine kann es ohne das andere nicht (mehr) geben.

Den Durchbruch des Digitalen ermöglichte das World Wide Web, der sichtbare Teil des Internets. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk an miteinander verbundenen Inhalten. Dies hatte Einfluss auf das Analoge im Hier und Jetzt, denn die seit der Erfindung des Buchdrucks voranschreitende Medienrevolution, verzeichnete nach den Erfindungen des Radios und des Fernsehens, ein bis dahin nicht vorstellbares, exponentielles Wachstum. Die Welt wurde vernetzt.

Vor Kurzem zeigte uns Apple, wohin die Reise geht. iPhones werden zu Augmented-Reality-Geräten, damit wird das Digitale etwas im bisher Analogen auf einmal wahrnehmbar. In dieser vermischten Realität werden im analogen Raum digitale Objekte stehen und sich verhalten, als seien sie real. Das ist die kommende, digitale Revolution, schreibt Sascha Lobo in seiner SPON-Kolumne. Die analoge Welt selbst wird zum Interface. Analoge und digitale Netze existieren nun im selben Raum.

Foucaults Heterotopie

Dazu sei der Philosoph Michel Foucault zitiert, der diesen Sachverhalt als Epoche des Simultanen beschrieb: “Wir sind in der Epoche des Simultanen, wir sind in der Epoche der Juxtaposition, in der Epoche des Nahen und des Fernen, des Nebeneinanders, des Auseinander. Wir sind, glaube ich, in einem Moment, wo sich die Welt weniger als ein großes sich durch die Zeit entwickelndes Leben erfährt. sondern eher als ein Netz, das seine Punkte verknüpft und sein Gewirr durchkreuzt“.

Michel Foucault deutete den Grund für dieses wohl unauflösliche Gewirr als ein Ergebnis der verpassten Entsakralisierung des Raumes, so dass auch weiterhin Entgegensetzungen existieren, die wir als gegeben betrachten, wie beispielsweise “zwischen dem privaten Raum und dem öffentlichen Raum, zwischen dem Raum der Familie und dem gesellschaftlichen Raum, zwischen dem kulturellen Raum und dem nützlichen Raum, zwischen dem Raum der Freizeit und dem Raum der Arbeit“.

Das Ergebnis dieser Gedanken, führte Foucault zu seinen ordnungssystematischen Überlegungen in Bezug auf Räume, die er dann als Heterotopien bezeichnete. Dabei handelt es sich um “wirkliche Orte, (…) sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können“.

Coworking Spaces

Im Sommer 2005 sind weltweit, simultan zueinander und unabhängig voneinander, Orte wie das St. Oberholz entstanden. Am 9. August 2005 eröffnete mit dem Spiral Muse in San Francisco, dass erste Coworking Space der Welt. Doch ob nun in Berlin oder San Francisco, es handelte sich dabei immer um Orte, die mit Konventionen unterschiedlichster Bereiche brachen und Räume neue definierten. Der Raum der Freizeit mit dem Raum der Arbeit vermischten sich an diesen neuen Orten.

In diesem Narrativ verschiedener Arbeitsorte, werden Coworking Spaces als vierter Ort der Arbeit bezeichnet, indem die Vorteile der ersten drei Orte – das Zuhause (Freiheit), das Büro (Struktur) und das Café (Community) – miteinander verbunden werden. Doch nicht die Infrastruktur definiert ein Coworking Space, sondern die Menschen an diesem Ort. Ihre Arbeitsweisen und Gewohnheiten, vor allem aber ihre Einstellung zum Thema Arbeit, sind die grundlegenden Treiber dieser Veränderung.

Neue Arbeit

Die Menschen in Coworking Spaces tauschen Informationen und Wissen miteinander aus, verwirklichen sich selbst und partizipieren an der Community. Sie praktizieren, was der austroamerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann Neue Arbeit nennt. Dieses Konzept stellt die Werte Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft ins Zentrum. Arbeit hat demnach erst einmal nichts mit Lohnerwerb zu tun, sondern dem, was man wirklich selber machen will.

Bergmann geht es in seinem Konzept darum, dass jeder Mensch eine Arbeit finden kann und sollte in Übereinstimmung mit seinen Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Begabungen. Herauszufinden, was das für eine Arbeit ist, stellt die eigentliche Herausforderung für die Menschen dar. Wissen sie, was das für eine Arbeit ist, können sie meistens nicht mehr in ihren bisherigen Arbeitsverhältnissen oder vor allem den Orten dieser Arbeit verbleiben, sondern streben nach neuen Räumen.

Neue Räume

Diese Neuen Räume müssen von Offenheit geprägt sein und Flexibilität ermöglichen. Denn was jeder einzelne Mensch macht, ist sehr unterschiedlich. Sie alle müssen aber an dem gleichen Ort sich verwirklichen können, denn die Community, der einfache Zugang zu dieser, wird ein wichtiger Wert an sich werden. Vor allem in der Arbeitswelt, die von den Prinzipien Dezentralität und Vernetzung noch stärker geprägt sein wird. Der Mensch rückt an diesen Orten immer stärker in den Fokus.

Da eine Gleichförmigkeit von Räumen für eine Diversität widerspiegelnde Community nicht möglich ist, obwohl das traditionelle Büro diesen Gegensatz bisher – mit Zwängen wie Anwesenheitspflicht und Lohnerwerb als Motiv für Arbeit – ignorieren konnte, bedarf es verschiedener Neuen Räume, die dann, je nach Funktion, Schwerpunkt, Lage, Design und der lokalen Community, flexibel genutzt werden, was den Gegensatz zwischen privaten Orten und öffentlichen Orten noch weiter aufhebt.

Konsequenz

Wie alle Heterotopien sind auch Neue Räume in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nicht statisch, und unterliegen einem steten Wandel. Diese im Wandel befindlichen Orte diskursanalytisch neu zu denken, führt aufgrund des limitierten Geschäftsmodells von bspw. Coworking Spaces, zu einer Annäherung an gesellschaftlich ähnlich bedeutsame Orten wie Bibliotheken, wo der Gegensatz zwischen privaten Orten und öffentlichen Orten ebenfalls aufgehoben werden kann.

Im Kern geht es um Konzepte für personzentrierte Orte, an denen die von Foucault erfassten Entgegensetzungen aufgehoben und verschiedene (Co-)Utopien Wirklichkeit werden. Diese werden in den nächsten Jahren zunehmen. Sie werden Orte für Menschen, die erfahren haben, was sie wirklich als Arbeit machen wollen. Und wie sie leben wollen, denn unsere Vorstellung von Arbeit sagt viel darüber aus, wie wir unser Leben gestalten und was uns als Individuen wirklich wichtig ist.

 

Speaker:

 

Gastgeber:

Neuer Raum für Neue Arbeit

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Eine Veranstaltung im Rahmen des ORBANISM SPACE, dem offiziellen Digitaltreffpunkt der Frankfurter Buchmesse. Programmübersicht.

 


Speaker*innen / Akteur*innen:

Details

Datum:
12.10.2017
Zeit:
15:00 bis 16:00
Formate/Themen:
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Veranstalter

ORBANISM
St. Oberholz

Location / Ort

ORBANISM SPACE #fbm17 @ Halle 4.1, Stand B91
Ludwig-Erhard-Anlage 1
60327 Frankfurt am Main
Germany
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Website
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