Branchen-Diskussionen rund um libreka! – denkt auch jemand an den Kunden?

Branchen-Diskussionen rund um libreka! - denkt auch jemand an den Kunden?

Derzeit wird die Gegenwart und Zukunft des Buchbranchenprojektes libreka! wieder einmal heiß diskutiert. Doch was ist libreka!?:

libreka! ist der Name eines Projekts des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels für die Schaffung einer zentralen Schnittstelle für die Speicherung, Durchsuchbarkeit, Anzeige und den Verkauf von digitalen Versionen gedruckter Bücher. (via: Wikipedia)

Man muss wissen, dass der Börsenverein als Branchenverband drei so genannte Sparten umfasst: Verlage, Buchgroßhandel und verbreitenden Buchhandel. Diese Besonderheit führt dazu, dass beständig Interessen ausgeglichen werden müssen, was tendenziell immer schwerer wird, da in einer digitalen Medienwelt die Sparten und deren Interessen immer schlechter voneinander abzugrenzen sind. Diese Rahmenbedingungen erschweren natürlich auch die Umsetzung eines so ambitionierten Projektes wie libreka!.

Über den Nutzen und die Ausgestaltung von libreka! wurde in der Buchbranche seit dem Start des Projektes 2006 intensiv diskutiert. Insgesamt ist das Stimmungsbild recht negativ. Im Vorfeld der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt wurde zudem ein Dokument mit dem Titel Libreka ungeschminkt (PDF, 100 KB) über Wikileaks anonym veröffentlicht, das dem Projekt ein sehr schlechtes Zeugnis ausstellt. Die sehr klar formulierten Überschriften:

  • Das aktuelle Geschäft mit E-Books
  • Kosten und Finanzierung von Libreka
  • Libreka hat im Internet keine nennenswerte Relevanz
  • Libreka hat keine klar umrissene Hauptaufgabe
  • Libreka ist kein Zufall, sondern die logische Folge des Vorgehens der Verantwortlichen
  • Libreka ist ein Sicherheitsrisiko für alle teilnehmenden Verlage
  • Der Volltext-Finder, der Texte gut versteckt
  • Libreka ist eine technische Maskerade
  • usw.

Unabhängig vom Inhalt, zu dem sich jeder ein eigenes Bild machen sollte, hat das Dokument viele Reaktionen ausgelöst. So sah sich Ronald Schild, Geschäftsführer der für libreka! verantwortlichen Börsenvereins-Tochter MVB, gefordert, explizit dazu Stellung zu beziehen, was er im Börsenblatt getan hat. Weitere Ereignisse der letzten Wochen und Tage hat Johannes Haupt zusammengefasst. Ein Auszug:

Im Gespräch mit dem Verbandsorgan Börsenblatt appellierte Schild nochmals an die Branchenteilnehmer, Libreka als gemeinsames Projekt zu begreifen und dem Angebot seine Zeit zu geben. Im Rahmen der Zusammenkunft aller Interessengruppen in Frankfurt kam es nun zu einer offenen Aussprache zum Thema. Anders als beim letzten “Branchenparlament” im Frühling, als noch nahezu alle Seiten Libreka auf einem guten Weg sahen, wurde das Projekt nun vielfach auf den Prüfstand gestellt.

Besonders interessant, wenn man sich die zahlreichen Stimmen aus der Branche (#1, #2, #3, #4, #5) zum Thema anhört, ist, dass immer wieder vom Ausgleich der Interessen der Branchenmitglieder gesprochen und die adäquate Einbindung der Beteiligten aller Sparten angemahnt wird. Eine logische und erwartbare Folge der Börsenvereinsstruktur. Doch selbst wenn libreka! die beste mögliche Plattform für den traditionellen Buchmarkt wird – wen interessiert’s? Diese Frage ist ganz ernst gemeint. Denn wenn das Angebot zu wenig Kunden interessiert, dann wird damit auch nicht genug Geld verdient werden. Denn das Wort “Kunde” hört und liest man erstaunlich selten in all den Diskussionen und Stellungnahmen.

Die beste denkbare Plattform für die Sparten des Buchmarktes muss noch lange nicht die beste Lösung für den Kunden sein, dem der traditionelle Buchmarkt im Zweifel ohnehin herzlich egal ist. Er wird sich umso schneller abwenden – so er libreka! überhaupt kennt – wenn ihm bei der Nutzung der Plattform Steine in den Weg gelegt werden, die er von keiner vergleichbaren Plattform her kennt. Nur ein Beispiel: Der Kunde soll beim Kauf eines digitalen Buches über libreka! eine stationäre Buchhandlung auswählen, der ein Teil des Verkaufserlöses zugute kommt. Schön für die Buchhandlung, verwunderlich für den Kunden.

Insgesamt entsteht hier der Eindruck, dass sich eine Branche zuviel mit sich selbst und zu wenig mit dem Kunden beschäftigt und das in einer Zeit, da die Karten im Markt dank der Digitalisierung komplett neu gemischt werden. Freuen werden sich all jene Unternehmen, deren einziges Kriterium bei der Entwicklung von Produkten und Plattformen im Internet die Kundenzufriedenheit ist.

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