Wandel im Buchhandel: Tanja Erdmann über ihren steinigen Weg in der Ausbildung und ihre Ankunft im Social Web

Wandel im Buchhandel: Tanja Erdmann über ihren steinigen Weg in der Ausbildung und ihre Ankunft im Social Web

Tanja Erdmann von der Buchhandlung Niehörster hatte sich bei uns ja bereits in einem interessanten Interview vorgestellt. Ihr Kernanliegen als Jung-Buchhändlerin ist es, Ihre Kunden überall bestmöglich zu beraten – also auch im Internet. Da sie so engagiert bei der Sache ist, soll sie hier die Möglichkeit bekommen, sich und ihre Arbeit näher vorzustellen:

Wenn man mich heute sieht, dann kann man sich kaum vorstellen, dass ich mal nicht gelesen hab. Aber haltet euch fest – ich war ein wahrer Spätzünder, was Bücher betrifft. Mal ein Buch oder zwei okay, aber auch dafür brauchte ich Jahre …

In der 9. Klasse auf der Realschule waren meine Freundin und ich ziemlich wetterscheu. Um nicht, wie die anderen Schüler, nach draußen zu müssen, übernahmen wir die Aufsicht in der schuleigenen Bücherei: Die Pausen verbrachten wir also damit, auf die jüngeren Kids Acht zu geben und mit Unmengen an Büchern.

Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, eine Lehrerin zwang uns, mindestens ein Buch auszuleihen, wenn wir weiterhin in den Pausen in der Bücherei bleiben wollten. Ich zog das nächstbeste Buch aus dem Regal: Darren Shan – der Mitternachtszirkus. Ein Buch über Vampire, wie ich sie danach nie wieder erlebt habe. Aber das Wesen hatte mich schon immer fasziniert. Dieses Buch zog mich schon auf der ersten Seite in seinen Bann, sodass ich mich schließlich durchrang, es tatsächlich durchzulesen. Keine Woche später musste Band 2 her. Weiterer Verlauf: 7 Bücher in zwei Wochen, 3 Bücher an einem Tag, 1 Buch in 3 Stunden.

Gerade bei Fantasy-Romanen gibt es oft Reihen. Leider ist es ebenso oft der Fall, dass ein Ende nicht den Wünschen des Lesers entspricht. Man hat sich so sehr an die Figuren und Charaktere gewöhnt, dass man sich einfach etwas anderes für sie gewünscht hätte. Doch Darren Shan hat ein Meisterwerk mit einem perfekten Ende geschaffen! Und genau in diesem Moment dachte ich mir, dieses Buch müssen ganz viele Menschen lesen.

Soweit so gut, doch irgendwie schreckte mich der Gedanke von Arbeit ziemlich ab. Also entschloss ich mich, nach meinem Realschulabschluss an ein Gymnasium zu wechseln und mich an meinem Abitur zu versuchen. Es blieb bei dem Versuch. Nach 3 Monaten brach ich die Schule ab.

Sich mit 16 zu entscheiden, was man sein ganzes Leben lang tagtäglich machen möchte, ist hart und ätzend. Ich hatte schrecklich Angst vor der Zukunft. Doch nach ganzen 8 Bewerbungen konnte ich meine Ausbildung in einem Schreibwarenladen mit Buchhandlung beginnen. Und das mitten im ersten Lehrjahr (Dezember).

Mir wurde am Anfang gesagt, wenn ich die schulischen Voraussetzungen nicht schaffen würde, müsste ich das erste Lehrjahr noch einmal wiederholen. In der Schule klappte aber alles wie geschmiert, doch die Arbeit war meine persönliche Hölle. Ich war jung und hatte keine Ahnung, was es bedeutete, mit Respekt behandelt zu werden. Ich dachte tatsächlich, dass man überall so schlecht behandelt wird. Meine damaligen Chefs und einige Mitarbeiter mobbten mich bis auf’s Äußerste. Sätze wie „du bist nichts, du kannst nichts und du wirst nie etwas werden“ hörte ich jeden Tag. In diesem Ausbildungsbetrieb habe ich nie ein ‚Danke‘ gehört und ich glaube ‚Bitte‘ kommt in deren Vokabular gar nicht vor. Mein damaliger Chef war mit einem Notendurchschnitt von 1,3 nicht zufrieden. Als Minderjährige hatte ich dort weit mehr als 150 Überstunden. Ich wurde mit falschen Namen angesprochen und hatte gefälligst darauf zu reagieren.

Im 3. Lehrjahr erst fasste ich mir ein Herz und entfloh dieser Erniedrigung, den Beleidigungen und meiner eigenen Verzweiflung. Ich weiß noch ganz genau, dass ich an meinem ersten Tag im neuen Betrieb, der Buchhandlung Niehörster in Dortmund, nach Hause gekommen bin und weinend in die Arme meiner Mutter gefallen bin, weil sich meine neue Chefin bedankt hat, weil ich ihr etwas kopiert habe. Hier konnte ich in Ruhe meine Prüfung machen und wurde auch von meinen Arbeitskolleginnen in jeglicher Hinsicht unterstützt.

Nach erfolgreich bestandener Prüfung wurde ich von der Buchhandlung Niehörster übernommen und arbeite noch immer dort. Diese Buchhandlung hat mir gezeigt, dass Arbeiten Spaß machen kann. Hier habe ich die Chance bekommen, mich zu verwirklichen. Und genau das habe ich vor und das Internet wird mir dabei helfen. Ich meine, wo sonst kann man auf einen Schlag so viele Menschen erreichen und ansprechen?

Doch es geht mir nicht nur um meinen Beruf als Buchhändlerin, sondern auch um mein Buch, das ich gerade schreibe. Mein Traum ist es, eine eigene Buchhandlung zu besitzen und mein Buch zu veröffentlichen. Und wenn es Jahre dauern wird, irgendwann wird der oder die Richtige etwas von mir hören und ich kann meinen Traum verwirklichen. Wenn ich das erreicht habe, möchte ich anderen helfen, ihre Träume zu verwirklichen. Vor allen Dingen möchte ich Auszubildende unterstützen, die in derselben oder in einer ähnlichen Situation sind, wie ich es war. Denn leider ist das eben keine Seltenheit in Deutschland. Auszubildende haben auch Rechte, doch keine laute Stimme, die sich auch in schwierigen Situationen für sie einsetzt. Und was wären wir ohne engagierte junge Menschen, die für ihre Träume kämpfen?

Doch zurück zu meiner Arbeit in der Buchhandlung Niehörster. Gerade in der Buchbranche und auch im Internet muss man einfach die richtigen Leute kennen. Aber seien wir doch mal ehrlich – das muss man überall. Jedenfalls suche ich nicht krampfhaft nach den ‚richtigen‘ Leuten, sondern lasse den Dingen ihren Lauf. Das bedeutet, ich habe gearbeitet, wie immer und schrieb nebenbei an meinem Buch (mal mehr und mal weniger).

Dann traf ich an einem verregneten Sonntagnachmittag auf einen Link vom buchmarkt.de mit dem Sonntagsgespräch von Leander Wattig. Das Interview handelt von Büchern, E-Books und dem Internet. Ich interpretierte eine Antwort aus diesem Interview falsch und schrieb dem Autor eine leicht gereizte Email. Mit einer Antwort rechnete ich nicht einmal. Doch Herr Wattig schrieb mir tatsächlich nachts noch zurück. Und er hatte Recht: Buchhändler müssen mehr Präsenz im Internet zeigen, dort Bücher empfehlen und die Kunden beraten. Ich erzählte meinen Chefs von seinem Anliegen. Es dauerte nicht einen Tag und ich hatte ein Profil bei Twitter und bei Facebook eingerichtet.

Soweit so gut, nur wie kam ich jetzt an Follower bzw. Freunde? Von meinem privaten Twitter-Account wusste ich von einigen Bücherpromotions. Ich klickte so viele Follower wie möglich an und hoffte einfach mal das Beste. Am nächsten Morgen freute ich mich schon über 14 Follower. Ich verkniff mir das Auf- und Abspringen, weil sich 14 wildfremde Leute für das interessierten, was ich schrieb, aber innerlich schlug ich Purzelbäume.

Doch ein Schritt nach dem anderen. Ich möchte die Leute, denen ich Tipps gebe, natürlich auch kennen. Also frage ich regelmäßig nach ihren Meinungen, damit ich nicht zu einseitige Buchratschläge verpasse. Man muss einfach am Ball bleiben und von sich selbst überzeugen. Eine positive Einstellung und immer wieder die Leute persönlich anschreiben, bringen einen schnell weiter.

So, meinen relativ zügigen Einstieg ins Internet habt ihr ja nun mitbekommen, aber es stellten sich wenig später auch schon einige Probleme in meinen Weg. Glücklich über meine ersten 120 Follower ging ich am Abend ins Bett, nur um mich am nächsten Morgen zu wundern, dass sich zwei meiner Follower verabschiedet haben. Sofort rasten die Fragen im Kopf: Wieso? Warum? Aber vor allem, was habe ich falsch gemacht??? Bis heute kann ich nicht sagen, was los war. Da ich nicht genau weiß, wer mich verlassen hat und ich diejenigen ja schlecht fragen kann. Die Zahl meiner Follower stagnierte auch eine Weile, doch nun freue ich mich über mehr als 150 Interessierte. Ich hoffe, es geht stetig aufwärts, denn wozu über Bücher reden, wenn es niemand hören will? Ich würde sagen, bisher schlage ich mich ganz gut im Gewusel des World Wide Web.

Nun möchte ich hier regelmäßig über meine Erfahrungen im Social Web berichten. Natürlich hoffe ich, neuen Leute, die sich ebenfalls noch mit dem Internet vertraut machen müssen, zu helfen. Aber auch die Profis möchte ich anlocken und sie mit meinen Erkenntnissen begeistern und erheitern. Tja, nun habt ihr mich am Hals. Aber ich verspreche, dass ich mein Bestes gebe, um euch zu unterhalten, nicht zu langweilen und mit aufschlussreichen Informationen zu versorgen. Vielleicht teilen einige ja auch mein Anliegen, da ist ein Austausch von Informationen doch nur angebracht.

In diesem Sinne ein schönes Wochenende und einen guten Start in die Woche! 🙂

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