Christiane Frohmann: Ich habe den E-Book-Verlag eriginals berlin mitgegründet und starte jetzt mit einem Nachfolgeprojekt

Die folgenden fünf Fragen werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Christiane Frohmann: Ich habe den E-Book-Verlag eriginals berlin mitgegründet und starte jetzt mit einem Nachfolgeprojekt

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Ich bin Christiane Frohmann, habe den E-Book-Verlag eriginals berlin mitgegründet und gehe jetzt mit einem persönlicher gehaltenen Nachfolgeprojekt, dem Imprint Frohmann an den Start. Bei Frohmann werde ich mich auf das Veröffentlichen neuer Literaturen und ästhetischer Schriften konzentrieren. Mein besonderes Interesse gilt den Twitterautoren und der Frage, wie man Tweets in Buchform adäquat präsentiert. Ich denke, ich habe jetzt eine gute Lösung gefunden, Tweets Twitter-Outsidern zugänglich zu machen, mit demselben Buch aber auch eine literaturwissenschaftliche Betrachtung zu ermöglichen.

Anousch Mueller, Jan-Uwe Fitz und Anke Fitz hatten wir bereits bei eriginals berlin unter Vertrag, hier stehen jetzt überarbeitete und teilweise auch um neue Tweets ergänzte Neuausgaben bei Frohmann an, welche zum Buchmessen-Twittwoch, also am 10. Oktober veröffentlicht werden.

Der erste ganz neue Titel bei Frohmann, ebenfalls eine Tweetsammlung, Ute Webers »Unfug. Tiefe Gedanken, auch in seichten Gewässern«, ist gerade erschienen. Am 4. November folgt ein Tweetbuch von Roman Held. Am 6. Dezember erscheint dann der erste Ästhetikttitel, »Pretty Poison«, ein Buch über die Kulturgeschichte des Botox von Diana Weis. Die Idee dazu ist beim Katersalon, meiner monatlichen Literaturveranstaltung im Berliner Club KaterHolzig, entstanden. Die im Kontext des Salons entstehenden Texte kommen ab Oktober ebenfalls bei Frohmann unter dem Titel »Katersalon-Schriften. Ästhetische Betrachtungen« heraus.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Leben und Arbeiten gehen bei mir stark ineinander über: Ich stehe um sechs Uhr auf, wecke meine beiden Söhne und sehe zu, dass sie einigermaßen pünktlich, gefüttert und ausgerüstet das Haus in Richtung Schule verlassen. Dann unterhalte ich mich meist mit meinem Mann: über Privates, Berufliches, gesellschaftliche, technologische und ästhetische Phänomene – nicht immer alles an einem Tag. Indem man von der eigenen Arbeit erzählt und auf Anregungen und Nachfragen des anderen reagiert, stößt man oft auf blinde Flecken oder findet schneller Lösungen, Gratis-Consulting und –Coaching sozusagen. Weil wir in unterschiedlichen, aber nicht unähnlichen Branchen arbeiten, Buch und Bild, ist das immer auch ein Blick über den Tellerrand. Anschließend gehe ich an meinen Schreibtisch, ich arbeite zuhause, weil ich gar nicht die Zeit hätte, die Berlin-üblichen 45 Minuten ins Büro zu fahren. Alles was ich brauche, steckt ohnehin in meinem Laptop. Ich checke Mails, poste ein paar informative oder unterhaltsame Dinge auf Facebook oder Twitter, weil Social Media einen wichtigen Teil der Verlagskommunikation ausmachen, dann gehe ich an meine zeitintensivste Beschäftigung: die Redaktion und das Lektorat von Texten. Weil diese Tätigkeit je nach Projekt sehr unterschiedlich umfangreich und anspruchsvoll ausfällt, endet mein Arbeitstag zwischen 16 Uhr nachmittags und 2 Uhr nachts. Wenn neue E-Books produziert werden, unterbreche ich die Textarbeit für ganze Tage, weil dann permanent mit Grafikerin, Herstellerin, Autoren und Vertrieb zu reden ist.

Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren bzw. in der letzten Zeit verändert?

Ich schleppe keine Manuskriptstapel mehr durch die Gegend, sondern einen Laptop und einen Reader, schneide mich nicht mehr an scharfen Papierkanten, verbrenne mir dafür aber mit einem überhitzten Laptop regelmäßig die Beine. Ich spare enorm viel Zeit, weil ich nicht ins Büro fahren muss und viel weniger klassische Meetings habe, Zeit, die ich durch übertrieben lange Aufenthalte in Sozialen Netzwerken wieder verschwende. Ich treffe im Netz viel mehr Menschen, mit denen mich etwas verbindet, als es in der physischen Realität je möglich wäre. Auch bei der Zusammenarbeit mit neuen Autoren gibt der virtuelle Kontakt im Vorfeld (fast immer) klare Signale, ob die Chemie stimmt oder nicht. Zusammengefasst: Ich bin bei meiner Arbeit viel mobiler, muss aber lange nicht mehr so mobil sein. Ich arbeite vollkommen autonom, aber hole mir externe Experten zu Hilfe: die klassische Typografin Ursula Steinhoff, die Herstellerin Tina Giesler von typearea und die digitale Vertriebsexpertin Ellen Vorac von Zebralution. Marketing und PR mache ich nach einigen ins Leere gelaufenen Versuchen mit externen Agenturen im alten Verlag jetzt selbst, weil ich gemerkt habe: Gebe ich nur wenige Titel heraus, kann ich diese auch allein professionell von Anfang bis Ende betreuen. Mit dem Katersalon habe ich auch die echte Welt für meine Arbeit wiederentdeckt: Es ist ein ziemlich wilder Abend, bei dem spannende Dinge zwischen Autoren und Lesern passieren und als positives Nebenprodukt eigentlich auch jedes Mal neue Arbeitsbeziehungen entstehen.

Was ist ein typisches Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Die Präsentation, der Verkauf und das Verschenken von E-Books in der physischen Welt. Alles, was ich bisher gesehen habe, kommt mir zu kurz und zu konventionell gedacht vor, dem neuen Medium unangemessen altbacken. Hier warte ich auf einen Quantensprung, der bestimmt bald kommen wird. Leider habe ich keine Idee, wie dieser aussehen wird. Außerdem hätte ich gern eine Kooperation mit einem klassischen Printverlag, weil sich manche Texte besser zum gedruckten Buch als zum E-Book eignen. (Gespräche gibt es schon.)

Eine mögliche Problemlösung hätte ich für das immer noch anhaltende E-Book-Zaudern in Deutschland: Alle Hersteller von Readern oder Tablets sollten gemeinsam mit Digitalverlagen und –autoren eine konzertierte Aktion machen, sich – so wie die Koran-Verschenker – überall aufstellen, vielleicht auch temporäre Lesecafés einrichten und die Leute dazu bringen, »so ein Ding« mal in die Hand zu nehmen und das Lesen damit auszuprobieren … die meisten Kritiker, die E-Books nicht für »richtige Bücher« halten, sprechen eben nicht aus Erfahrung. Man könnte Publikumslieblinge wie Shades Of Gray, den letzten Adler-Olsen, Twilight, Harry Potter etc. draufpacken. Nur die konkrete Erfahrung kann bei den innovationsscheuen Deutschen bewirken, dass der seit Jahren prognostizierte Durchbruch wirklich passiert.

Wo finden wir Sie im Internet?

verlag.cfrohmann.com, katersalon.cfrohmann.com

Vielen Dank für Ihre Zeit!

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