Dennis Schmolk: Die Zukunft des Erzählens

Dennis Schmolk: Die Zukunft des Erzählens

Dennis Schmolk (24) beendete sein Studium der Buchwissenschaft in Erlangen mit einer Arbeit über Social-Media-Strategien im Verlagsmarketing und beleuchtete dabei den Wandel der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden. Außerdem ging er der Frage nach, ob sich Werbung und Inhalt noch strikt trennen lassen. In diesem Gastbeitrag berichtet er kurz über seine Ergebnisse.

Im Rahmen meiner Bachelorarbeit ging ich zwei Grundfragen nach, die mit der Digitalisierung zusammenhängen: Wie haben soziale Medien, also Netzwerke wie Facebook, interaktive Unternehmensauftritte, themenbezogene Foren oder Weblogs wie dieses hier, die Beziehung zwischen den Unternehmen und ihren Kunden geprägt? Und in welchem Verhältnis stehen heute „Content“ (also die Inhalte, die etwa Verlage verkaufen) und Werbung für diesen Content?

Wie erzählen und erleben wir in Zukunft Geschichten?

Dabei hat mich vor allem der Publikumsmarkt interessiert: Wie werden Geschichten morgen erzählt und was können soziale Medien dazu leisten? Und wie müssen Verlage, die Geschichten erzählen, auf ihre Kunden zu- und eingehen?

Bei den Vorüberlegungen stellte ich vier Thesen auf, die ich aus der Branchendiskussion und meinen Beobachtungen ableitete:

  1. Nutzer wollen an Inhalten teilhaben – sowohl an ihrer Erstellung wie an ihrer Verbreitung.
  2. Marketing und Werbung müssen unterhaltsame Inhalte bieten.
  3. Es zahlt sich für Verlage aus, von Nutzern erstellte Inhalte zu fördern.
  4. „Werbung“ und „Content“ sind nicht mehr getrennt zu denken.

Für die Arbeit selbst wertete ich die Branchendiskussion weiter aus und führte zwei Experteninterviews: Mit dem Betreiber dieser Seite und mit Thomas Zorbach von vm-people, einer Agentur für modernes Marketing. Letzteres ist auf meinem neuen Blog alles-fliesst.com veröffentlicht: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

Für meine Thesen fanden sich diverse Belege. Die Nutzer-Beteiligung zeigt sich etwa bei Fan-Fiction, also von Fans einer bestimmten Erzählwelt produzierten Inhalten, die nicht immer mit dem „offiziellen“ Bild dieser Welt übereinstimmen müssen. Nutzer wollen zudem nicht mehr nur durch einen Kanal Geschichten erleben: Bei „Alternate Reality Games“, einem Marketinginstrument, nehmen sie aktiv an einer Geschichte teil, indem sie Spuren folgen, miteinander und mit Charakteren aus dem beworbenen Buch kommunizieren. Die Fans werden Teil der Erlebniswelt ihres Lieblingsbuchs.

Rechtsunsicherheit ist ein Hemmschuh

Aber die Nutzer machen auch gerne bei der Werbung für diese Produkte mit: Sie reden gerne online (und natürlich auch offline) über interessante, unterhaltsame Bücher, schreiben Kundenrezensionen und erstellen teilweise eigene Inhalte. Jedenfalls dann, wenn meine zweite These zutrifft: Unterhaltsame Werbung, gut gemachte Trailer oder spielerische Kampagnen, ziehen Kunden an und werden weiter verbreitet. In sozialen Netzwerken erreichen sie „Multiplikatoren“, Nutzer, die viele Kontakte und eine gute Reputation haben – und denen zugehört wird.

User Generated Content“ wie Fan-Fiction, Rezensionen, Websites zu Büchern und ihren Kosmen wird nicht nur von den Kunden erwartet, sondern ist auch für Verlage eine gute Möglichkeit, ihre Werbebotschaften und ihre Inhalte zu verbreiten und damit auch zu verkaufen. Wichtig ist hierbei, dem größten Problem entgegen zu wirken: Sowohl bei Verlagen wie auch bei Fans herrscht eine große Rechtsunsicherheit, ob diese Inhalte legal sind. Verlage sollten Richtlinien veröffentlichen, wie solche Inhalte zu erstellen sind, und dabei im Auge behalten, dass sich Restriktionen hier nicht auszahlen werden.

Werbung und Inhalt verschmelzen

Transmedia Storytelling“ bedeutet, dass Geschichten innerhalb einer Erzählwelt durch verschiedene Kanäle erzählt werden. Der Prototyp transmedialer Erzählung ist das oben angesprochene „Alternate Reality Game“, das seine Teilnehmer durch Websites, Filme und auch „reale“ Ereignisse die Geschichte erleben lässt. Zu den letzteren zählen etwa Pakete mit kryptischem Inhalt oder Veranstaltungen.

Als Marketinginstrument ist ein „Alternate Reality Game“ also gleichermaßen Teil des Produkts (des Inhalts) wie der Werbung – es entsteht ein eigener Abschnitt der Geschichte, die auch den Inhalt des Buches bildet. Ein Experiment wagte der Verlag Hoffmann und Campe, der die Inhalte des „Alternate Reality Games“ zu dem Buch „Cagot“ von Tom Knox zusammen mit dem Buch als „Enhanced“ eBook veröffentlichte. Inhalte werden also zu Werbemitteln, Werbung produziert Inhalte. Beide Kategorien sind nicht mehr klar zu trennen.

Spannende Fragen für die Zukunft bleiben etwa die, wie sich transmediale Elemente im Bereich des Self-Publishing einsetzen lassen, ob sie Anwendung außerhalb von Unterhaltungsmedien finden (z.B. für den Fach- und Sachbuchbereich) und wie sich der Dialog von Kunden und Unternehmen künftig gestaltet (und gestalten lässt). Denn eine Erkenntnis des Web 2.0 bleibt auf jeden Fall wahr: Ohne Dialog geht es nicht mehr, der Kunde will nicht einseitig „informiert“ werden. Er will mitreden.

Bildquelle: Dennis Schmolk
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