Renate Zimmermann: Während meines Arbeitslebens wurde der Beruf Bibliothekarin quasi generalüberholt

Renate Zimmermann: Während meines Arbeitslebens wurde der Beruf Bibliothekarin quasi generalüberholtDie folgenden sechs Fragen unserer Interviewreihe werden seit 2009 regelmäßig von interessanten Menschen beantwortet, die „was mit Büchern“ machen, und hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf Buchmenschen lenken und die zum anderen Veränderungen und Herausforderungen in den unterschiedlichsten Bereichen des Publishing sichtbar werden lassen. Unser Ziel damit ist es, die Menschen noch enger in den Kontakt und Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Renate Zimmermann

Mein Name ist Renate Zimmermann und ich bin Bibliothekarin in der Bezirkszentralbibliothek „Mark Twain“ im Berliner Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf. Neben vielen anderen Tätigkeiten im Zug der Digitalisierung stellen Bücher aber trotzdem noch mein Hauptbetätigungsfeld dar. Ich verwalte einige Sachgebiete wie z.B. Geschichte, Literaturwissenschaft, Heimatkunde, Religion, bin also verantwortlich für Einkauf, Aktualität, Aussonderungen und Bestandspräsentation. Auch die Vermittlung von Medienkompetenz, also des Umgangs mit Büchern an Schüler der Oberstufe, gehört zu meinen Aufgaben genauso wie die Beratung unserer Leser. Ich organisiere Autorenlesungen oder lese auch selbst aus meinen eigenen Büchern, die im Simon-Verlag für Bibliothekswissen erschienen sind. Außerdem leite ich eine Schreibwerkstatt für Jugendliche, in der schon einige Bücher entstanden sind in Zusammenarbeit mit Co-Autoren wie Alf Ator, Jenny-Mai Nuyen, Boris Koch, Thomas Fuchs und momentan Dietmar Wischmeyer. Zur Leipziger Buchmesse haben wir damit einige Lesungen gemeistert. Sehr beliebt ist auch die Buchvorstellungsreihe „Schwebende Bücher“. Im Abstand von 6 Wochen stelle ich mit einer Kollegin die Bücher vor, die wir in dieser Zeit gelesen haben. Mittlerweile sind das schon über 1000. In diesem Jahr ist diese Reihe zu einem von fünf Lesekreisen des Deutschen Buchpreises auserwählt worden und wir rezensieren bis Dezember 2018 die 20 Titel der Longlist.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Meistens bin ich zum Beratungsdienst in einem der drei Bereiche der Bibliothek eingeteilt und versuche dabei trotzdem noch andere Aufgaben zu erledigen wie z.B. Bestellungen zu tätigen, meine Sachgruppen zu verwalten, Mails zu checken, organisatorische Dinge in Sachen Öffentlichkeitsarbeit zu klären. Das ist ein weites Feld, wozu z.B. auch das Erstellen von Anschreiben, Flyern und Pressemeldungen gehört. Alles rund um das Thema Online-Werbung gehört auch zu meinen Aufgaben, also Administration unserer Webseite und der Facebook-Seiten, Einpflegen der Veranstaltungen auf anderen Webseiten, Kalendereinträge und Rundschreiben per Mailinglisten, Schreiben des Newsletters. Da gibt es immer was zu tun. Oft bereite ich auch Online-Tutorials für Klassenführungen vor und kümmere mich um die Verwaltung der iPads, die wir dabei zum Einsatz bringen. In unserer Bibliothek gibt es eine Auslagefläche für Werbeflyer und -plakate, die ebenfalls meiner Obhut unterliegen. Jeden Tag flattern etliche Briefe und Pakete ins Haus, die ich dann verteile und Altes entsorge. Wenn viele Medien zurückgegeben werden, helfe ich natürlich auch beim Rücksortieren und suche Bestellwünsche für den Transport in andere Bibliotheken raus. Sehr oft gebe ich für Gruppen Einführungen in die Benutzung der Bibliothek. Dann werde ich natürlich nicht zum Beratungsdienst eingeteilt, beides gleichzeitig geht nicht. Abends zu Hause widme ich mich dann ehrenamtlich den Belangen der vielen Schreibwerkstatt-Projekte, da das alles an einem Arbeitstag nicht zu bewältigen ist. Auch Lesen ist ausschließlich Freizeitbeschäftigung.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

Mein Beruf erzeugt in vielen Köpfen immer noch das Bild der grauen Maus mit Dutt und Brille, die sich den ganzen Tag hinter Büchern verschanzt. „Da kannst du ja den ganzen Tag lesen!“, bekomme ich oft zu hören. Es gab früher sogar mal bezahlte Lesestunden, um durch Lektürekenntnisse die Beratungsqualität zu gewährleisten. Heutzutage kann man in einer Bibliothek auch ohne inhaltliche Kenntnisse der Bücher sehr gute Arbeit leisten getreu dem Motto: „Wissen ist wissen, wo es steht.“ Dafür ist man aber bei Ausfall der PCs nicht mehr auskunftsfähig.

Während meines Arbeitslebens wurde der Beruf quasi generalüberholt, Zettelkataloge durch digitale Datenerfassung abgelöst, das physische Buch durch elektronische Medien ergänzt. Viele digitale Quellen sind nur über Bibliotheken zugänglich. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr auf der Ausleihe von Medien, Bibliothek ist heutzutage Arbeits-, Lern- und Freizeitort. Trotz rückläufiger Ausleihzahlen steigt die der Besucher stetig an, weswegen die Aufenthaltsqualität eine große Rolle spielt. Neben den herkömmlichen Medien wie Büchern, CDs, DVDs, Blurays und Spielen aller Art bieten wir auch eReader, Laptops und Musikinstrumente zur Nutzung an. Ich muss mich natürlich auch selbst mit all diesen Angeboten vertraut machen, denn meine Aufgabe besteht u.a. darin, die Handhabung technischer Geräte und das ständig wachsende Angebot digitaler Wissensquellen und Apps an Schulklassen und auch Erwachsene zu vermitteln und bei Problemen Ansprechpartnerin zu sein.

Ebenso hat sich unsere Veranstaltungstätigkeit im Laufe der Jahre rasant an Quantität und Qualität erhöht. Viele besuchen uns nur deswegen und sind gar keine Nutzer im klassischen Sinn. Öffentlichkeitsarbeit gab’s früher nur so nebenbei, heute betreiben wir professionelles Veranstaltungsmanagement mit Öffnung nach außen. Damals sind wir über unseren Dunstkreis nicht hinausgekommen, heute werben wir aktiv auf allen Kanälen. Mit Erfolg!

Was ist ein Problem, für das Sie eine Lösung suchen?

Da fällt mir eine ganze Menge ein, wenn ich über Probleme nachdenke. Aber die sind eher dienstlicher Natur und auch durch mich nicht zu lösen wie z.B. fehlendes Personal.

Wichtig wäre ein Nachfolger für die Leitung der Schreibwerkstatt. Ich habe mittlerweile so viele tolle Kontakte geknüpft und Projekte gestemmt, dass unsere Aktivitäten schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. In sieben Jahren ist mein aktives Berufsleben zu Ende und es wäre schade, wenn das auch das Ende der Schreibwerkstatt bedeuten würde.

Worüber ich auch immer wieder stolpere: meine geringen Englischkenntnisse. Über den Vorsatz, diese zu verbessern, bin ich jedoch bisher nicht hinausgekommen. Und die Zeit! Sie reicht einfach nicht aus, alles, was ich mir vorgenommen habe, zu erledigen.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Ich freue mich immer über neue Kontakte rund um das Thema Schreiben.

Gerne tausche ich mich auch aus über den Einsatz von Tablets im Bibliotheksunterricht. Da sind neue Ideen stets gefragt.

Zu unserer Buchvorstellungsreihe „Schwebende Bücher“ lade ich manchmal einen Gast aus der Buchbranche ein. Wer da gerne mal mitmachen würde, kann sich bei mir melden.

Wo finden wir Sie im Internet?

Bildquelle: (c) Gerhard Westrich

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