Anne Friebel: Ich bin Verlegerin bei Palomaa Publishing

Seit 2009 werden die Fragen unserer Interviewreihe von inzwischen über 700 Menschen beantwortet, die »was mit Büchern« bzw. Publishing machen. Unser Ziel ist es seit jeher, die Blackbox Buchwelt damit zu öffnen und die Leute noch enger in den Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern oder im Bereich Publishing?

Anne Friebel: Ich bin Verlegerin bei Palomaa Publishing

Ich bin Verlegerin bei Palomaa Publishing, einem Indie-Verlag für Sachbücher von Frauen* bzw. FLINTA*. Ich verlege Bücher von Autorinnen* über Themen rund um Gleichberechtigung und Feminismus, Frauengesundheit, Working Moms, Female Empowerment oder Persönlichkeitsentwicklung. Oder auch mal einen Titel, der thematisch etwas ganz Neutrales aufgreift, aber eben von einer Frau* geschrieben wurde. Ich möchte weibliche* Stimmen sichtbarer machen in einer Zeit, in der Autoren* noch immer häufiger verlegt, besser bezahlt, häufiger, wohlwollender und länger besprochen werden als Autorinnen*. In unserem Webshop finden sich außerdem Drucke von ausgewählten Künstlerinnen*, da wir in der Kunst ein ähnliches Problem mit der Sichtbarkeit von Frauen* haben.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich starte um 8 Uhr am Morgen und checke kurz alle Mails, Social-Media-Kanäle und Branchennews. Dann schnappe ich mir meinen Kalender und setze mich an die Aufgaben des Tages, die ich in der Regel schon zu Wochenbeginn oder am Vortag geplant habe. Mein Tag kann dann aus ganz unterschiedlichen Dingen bestehen – vom Interview für eine Zeitung übers Lektorieren des nächsten Buches, Manuskripte sichten, Instagram-Posts verfassen, Autorinnen*-Videokonferenzen oder Kolleg*innen briefen. Ich arbeite mit einem externen all-female Team aus Setzerinnen, Lektorinnen, Fotografinnen, Illustratorinnen und PR-Expertinnen zusammen. Das erfordert viel Abstimmung, aber es macht auch viel Spaß, mit so vielen verschiedenen inspirierenden Menschen im Austausch zu stehen. Das ist sowieso der beste Teil meines Jobs für mich: die Vielfalt an Themen und Menschen.

Wie verändert sich Ihre Arbeit (z.B. durch die fortschreitende Digitalisierung)?

Zwei Dinge fallen mir beim Stichwort Digitalisierung sofort ein: Unsere Drucke über Print-on-demand und Remote Work am Buch. Zum einen lasse ich gerade (noch) alle unsere Bücher im On-demand-Verfahren drucken, was mir viel Flexibilität und Schnelligkeit in den Abläufen ermöglicht und was vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten so einfach noch nicht denkbar gewesen wäre. Und zum anderen stelle ich immer wieder erstaunt fest, dass ich einen großen Teil meiner Autorinnen ja noch nie in persona getroffen habe. Aufgrund der Pandemie-Situation seit Gründung des Verlages habe ich bis auf meine Leipziger Autorinnen alle anderen immer nur am Telefon, via Social Media, Email oder in Videocalls, also digital, »getroffen«. Und obwohl ich sehr gerne mit allen meinen Autorinnen und Kolleginnen mal was trinken und persönlich miteinander quatschen würde, finde ich es aber gar nicht schlimm, wie es aktuell läuft. Die Digitalisierung hat uns und mir da sehr viel ermöglicht.

Welche Erfolge konnten Sie in letzter Zeit feiern?

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat unser Buch »Bis eine* weint!« im April 2021 als »Bereicherung der Debatte um die gerechte Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit« gewürdigt. Diese Anerkennung von höchster politischer Stelle und das Wissen, dass unser Buch nun wahrscheinlich durch einige Entscheider*innen-Hände im Ministerium gehen wird, hat mich persönlich sehr gefreut.

Und was mich jeden Monat wieder freut: Dass sich unser allererstes Buch »Vertrauen nach Fehlgeburt« zu einem richtigen Klassiker im Bereich Fehlgeburtsbegleitung entwickelt hat. Mittlerweile schult die Autorin Rosa Koppelmann dazu regelmäßig Hebammen und begleitet betroffene Familien. Dass unser Buch diesen Impact hat und einen so deutlichen Unterschied im Leben seiner Leser*innen schafft, macht mich ebenfalls sehr glücklich.

Wo hakt es? Was ist eine Herausforderung, für die Sie eine Lösung suchen?

Meine größte Herausforderung als junger, unabhängiger Verlag ist es, gesehen zu werden und Leser*innen und Buchhändler*innen zu meinen Büchern zu führen. Das ist ein Thema, an dem ich kontinuierlich arbeite und das den Verkaufserfolg unserer Bücher natürlich maßgeblich beeinflusst. Auf der einen Seite sind meine Autorinnen hier sehr aktiv und eng in die Vermarktung einbezogen. Auf der anderen Seite setze ich gerade auch auf Kooperationen, um sich gegenseitig mehr Sichtbarkeit zu bieten und ein Netzwerk aufzubauen und probiere verschiedene Social-Media-Formate aus.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Autorinnen* auf der Suche nach einem Verlag können sich gerne bei mir melden. Wichtig ist nur, dass es sich bei ihrem Werk um ein Sachbuch aus meinem Themenbereich handelt, sodass es für das Programm überhaupt infrage kommt.

Ich möchte auch besonders Personen im Sinne von FLINTA*, also Menschen, die sich als Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans- oder agender Personen identifizieren, einladen, sich mit ihrem Text bei mir zu bewerben. Gleiches gilt für Autorinnen* of Color. Dies sind alles Gruppen, die oft mehrfach diskriminiert werden, sich dadurch vielleicht nicht recht in die Sichtbarkeit trauen und am Ende eben nicht gesehen werden. Euch möchte ich sagen: Ich möchte euch lesen und kennenlernen und vielleicht entsteht daraus unser nächstes Buch!

Wo finden wir Sie im Internet?

Ganz klassisch auf unserer Website www.palomaapublishing.de oder auf Instagram unter @palomaa_publishing.

Wen sollten wir auch mal fragen? Wer macht Zukunftsweisendes im Publishing?

@carerage @shesaidbooks @kohsie_halle @nordverlag

Die Abschlussfrage darf natürlich nicht fehlen: Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

Den größten Eindruck hat bei mir in den letzten Jahren wohl das Buch »The Crossroads of Should and Must« von Elle Luna hinterlassen, weil es mir viele Anstöße lieferte, meiner Berufung nachzugehen und am Ende Palomaa Publishing zu gründen.

 

Foto (c) Christiane Gundlach

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