Birgit Arteaga: Ich bin Inhaberin der Literaturagentur Arteaga

Seit 2009 werden die Fragen unserer Interviewreihe von inzwischen über 700 Menschen beantwortet, die »was mit Büchern« bzw. Publishing machen. Unser Ziel ist es seit jeher, die Blackbox Buchwelt damit zu öffnen und die Leute noch enger in den Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern oder im Bereich Publishing?

Birgit Arteaga: Ich bin Inhaberin der Literaturagentur Arteaga
Ich bin Birgit Arteaga, Inhaberin der Literaturagentur Arteaga. Ich vertrete derzeit um die 40 AutorInnen und 50 IllustratorInnen im Umgang mit Verlagen, Filmproduktionen und auch anderen Branchen. Storytelling wird immer bewusster eingesetzt. Spezialgebiet der Agentur ist der Kinder- und Jugendbuchbereich zusammen mit dem Sachbuch.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Zurzeit ist mein Arbeitstag gespickt mit Zoom-, Teams- und Skype-Videokonferenzen mit Verlagen, meinen KünstlerInnen und meinen MitarbeiterInnen. Die Bildschirmzeit ist seit der Pandemie nur noch im roten Bereich. Hoffen wir mal, dass sich das bald wieder zugunsten persönlicher Treffen ändern wird. Normalerweise reise ich sehr viel und besuche meine Geschäftspartner regelmäßig.

Der Kern meiner Tätigkeit ist die Unterstützung unserer KünstlerInnen, sei es bei der Ideenfindung, -entwicklung oder -vermittlung. Oft bin ich schon in den ersten Entwicklungsphasen der Projekte involviert, mache Marktbeobachtungen und gebe Einschätzungen, wie und wo eine gute Platzierung möglich sein könnte. Steht das Konzept, gehe ich auf die passenden Verlage zu und stelle ihnen die Idee vor. Bei Interesse wird der Verlag ein Angebot abgeben und dann werden die Vertragsverhandlungen geführt.

Regelmäßig geht es aber auch den umgekehrten Weg. Die Verlage kommen mit einer Projektidee und/oder der Suche nach einer bestimmten AutorIn oder IllustratorIn auf mich zu.

Es werden aber nicht nur Verträge abgeschlossen, vielmehr werden unsere KünstlerInnen auch weiterhin bei all ihren Projekten betreut, auch wenn es mal zu Unstimmigkeiten kommen sollte.

Ein weiterer wichtiger Teil ist alles, was mit der Vertragsverwaltung und Rechnungsstellung an die Verlage zu tun hat. Zahlungseingänge und Honorarabrechnungen müssen geprüft werden. Das ist Teil der Serviceleistung an unsere KünstlerInnen, damit sie sich voll und ganz auf das Schreiben bzw. Illustrieren konzentrieren können.

Wie verändert sich Ihre Arbeit (z.B. durch die fortschreitende Digitalisierung)?

Auch bei uns hat Corona zu einer Beschleunigung der Digitalisierung beigetragen. Verträge werden mit sehr vielen Verlagen nur noch papierlos digital unterzeichnet. Der Verlust der Präsenz-Messen und die Einschränkungen persönlicher Treffen in den Verlagen werden durch Videokonferenzen kompensiert. Das klappt ziemlich reibungslos, wobei ich aber nicht glaube, dass diese Meetings jemals den persönlichen Kontakt ersetzen können. Unsere Arbeit ist und bleibt ein People’s Business.

Die größte Veränderung für die Agentur im letzten Jahr war der Start der Sachbuchabteilung. Mit Annette Maas konnte ich eine sehr erfahrene Bücherfrau für diesen Bereich gewinnen und es gelang uns, direkt auch mit ein paar außergewöhnlichen Projekten zu starten. Dazu gehört unter anderen die Reihe »Eric erforscht …« von dem Journalisten und ZDF-Moderator Eric Mayer, erschienen beim Carlsen Verlag. Oder auch das Projekt »Mut to go« von Sonja Bullen »50 Challenges für mehr Toleranz und Offenheit« (Dressler Verlag).

Auch meine Vorlesungen und Seminare als Gastdozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mussten komplett digital gehalten werden. Was sehr ungewohnt war, aber dann doch ganz gut geklappt hat.

Welche Erfolge konnten Sie in letzter Zeit feiern?

Seit Gründung der Agentur liegt mein Fokus auf lokalen AutorInnen, damals noch zu einer Zeit, in der meist U.K.- und U.S.-Lizenzen den Markt dominierten. Meine Überlegung war und ist es noch: es gibt so viele tolle lokale AutorInnen, die mit ihren Geschichten oft näher an der Erlebniswelt der LeserInnen dran sind. So können manche junge LeserInnen wenig mit einem gelben Schulbus anfangen und es soll neben diesen Geschichten eben auch welche geben, in denen Kinder ganz alleine zu Fuß zur Schule gehen.

Vor kurzem ist Band 2 von das »Internat der bösen Tiere« von Gina Mayer, Band 5 der »Duftapotheke« von Anna Ruhe, sowie Band 5 von »Bitte nicht öffnen« von Charlotte Habersack erschienen. Alle landeten auf der Bestsellerliste.

Nach meinem Verständnis geht es aber nicht nur um wirtschaftliche Erfolge, sondern auch um besonders wichtige Bücher wie den Titel »Wo die Freiheit wächst«. In einem Briefroman erzählt Frank Maria Reifenberg über die (wenig bekannte) Widerstandsgruppe der Edelweißpiraten während des Dritten Reiches, eine Gruppe von Arbeiterkindern aus Köln-Ehrenfeld. Oder der Titel »Als wir Adler wurden« von Uticha Marmon, der ein klares Zeichen gegen Rassismus und Faschismus setzt.

Wo hakt es? Was ist eine Herausforderung, für die Sie eine Lösung suchen?

Wir müssen diverser werden. Die Welt ist bunt und wird immer bunter, aber zu oft spiegelt sich das noch nicht in den Geschichten und Bildern der Bücher wieder. Hier müssen wir alle nachsitzen und lernen. Divers fängt nicht erst bei der Geschichte an, sondern schon bei der Auswahl der AutorInnen und IllustratorInnen. Hier gibt es noch einiges zu tun.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Da verweise ich doch direkt auf die vorherige Frage und deren Antwort. Sehr gerne sollen sich AutorInnen und IllustratorInnen bei uns melden, die bunt und divers in alle Richtungen sind, auch wenn sie sich in unserer Agentur derzeit noch unterrepräsentiert sehen – wir arbeiten gerade intensiv daran das zu ändern.

Die Notwendigkeit für professionelles Storytelling ist nicht auf Buch, Hörbuch oder Film beschränkt. Auch Werbetreibende oder beispielsweise eine Firma vor dem Börsengang – überall will man eine gute »Story« erzählen. Unsere AutorInnen und IllustratorInnen können genau solche Story verwirklichen.

Wo finden wir Sie im Internet?

Wen sollten wir auch mal fragen? Wer macht Zukunftsweisendes im Publishing?

Die Leute von Storytel und natürlich die Macher von Tonies. Beides Beispiele, die zeigen, dass man in Europa sehr wohl Endkunden kann. Diese Beispiele sollten alle in der Branche ermutigen, sich nicht kampflos den amerikanischen Megakonzernen zu ergeben.

Die Abschlussfrage darf natürlich nicht fehlen: Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

»Sprache und Sein« von Kübra Gümüsay.

 

Foto (c) privat

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