Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)
Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?
Mein Name ist Gabriele Radecke; ich bin Literatur- und Editionswissenschaftlerin an der Universität Göttingen. 2010 habe ich dort die Theodor Fontane-Arbeitsstelle gegründet, um Fontanes Werk in Buch- und digitalen Editionen für das 21. Jahrhundert neu zu veröffentlichen. Inzwischen sind wir ein gut aufgestelltes Team, das an der Herausgabe und Kommentierung von Fontanes autobiographischen, reiseliterarischen und kritischen Texten arbeitet; die Bände erscheinen im Rahmen der Großen Brandenburger Ausgabe im Berliner Aufbau Verlag und wenden sich an Fachwissenschaftler und an ein allgemeines Lesepublikum. An der Fontane-Arbeitsstelle entsteht außerdem in enger Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen die digitale erste Gesamtausgabe von Theodor Fontanes Notizbüchern; diese Edition wird auch als Buch im Walter de Gruyter-Verlag erscheinen.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil sich die Arbeit nicht immer in regelmäßige Abläufe einteilen lässt. Deshalb fasse ich lieber die Schwerpunkte zusammen, zu denen neben dem Lesen und Schreiben insbesondere die folgenden Tätigkeiten gehören: die Betreuung der Mitarbeiter an der Fontane-Arbeitsstelle – die Leitung von Teamsitzungen – die wissenschaftliche Beratung bei der Herstellung von Buch- und digitalen Ausgaben – das Entziffern der komplizierten Handschrift Fontanes, die Kommentierung erläuterungsbedürftiger Textstellen, das Erstellen von Registern und die Textredaktion – Vorträge und Seminare und schließlich neue Fontane-Projekte entwickeln und Förderanträge schreiben.
Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?
Der digitale Medienwandel hat auch die editorischen Methoden und Arbeitsweisen sowie die Publikationsformen von Werkausgaben erweitert. So ersetzen digitale Werkzeuge und virtuelle Forschungsplattformen zunehmend die bisherige Arbeit mit konventionellen Computerprogrammen. Diese grundlegende Veränderung setzt voraus, dass man sich mit der neuen Technik vertraut macht. Hinzu kommt, dass die Editionen nunmehr als gedruckte Bücher, als E-Books und als digitale Ausgaben in interdisziplinären Teams erarbeitet und publiziert werden. Dafür ist eine große Kommunikationsfähigkeit sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, insbesondere mit IT-Experten, erforderlich. Schließlich hat sich die Art der Recherche für die Texterläuterungen verändert. Arbeitete man früher fast ausschließlich in Bibliotheken mittels Kataloge und gedruckter Bücher, so wird die editorische Arbeit nunmehr durch das Internet und das Lesen am ortsunabhängigen Bildschirm nicht nur maßgeblich unterstützt, sondern auch erheblich erleichtert.
Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?
Das größte Problem ist die Finanzierung. Da unsere Stellen durch Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Fritz Thyssen Stiftung gefördert werden, muss ich mich ständig um weitere Projekte und deren Finanzierung kümmern, was mich oftmals von der inhaltlichen Projektarbeit abhält.
Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?
Ich freue mich immer über das Gespräch mit Fontane-Leserinnen und Lesern; außerdem würde ich mich gerne noch mehr mit Kollegen vernetzen, die sich ebenfalls dafür engagieren, Autoren und ihre Texte auch einem jüngeren Publikum durch analoge und digitale Werkausgaben näherzubringen. Schließlich bin ich an einem Austausch über Erfahrungen von erfolgreicher Drittmitteleinwerbung und Sponsoring interessiert.
Wo finden wir Sie im Internet?
Man findet mich im Internet auf der Website der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Göttingen. Neuigkeiten gebe ich über twitter und facebook bekannt. Ausführliche Projektinformationen gibt es auf der Website der Theodor Fontane-Arbeitsstelle. Die digitale Edition von Theodor Fontanes Notizbüchern wird im Fontane-Notizbuch-Portal publiziert.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
Bildquelle: Gabriele Radecke