Ulrike Ritter ist freie Lektorin – und leidenschaftlich bei der Sache. Von Salzburg aus betreut sie mit ihrer Firma textstern* Kunden in Österreich und Deutschland. Hier berichtet sie uns, was den Lektorenberuf so spannend macht, und teilt Gedanken über den Alltag zwischen Texten, Tippfehlern und Stilfragen.
Ich lese immer wieder von Lektorenkolleginnen und -kollegen, die in ihrem Portfolio zwischen den Leistungen Korrektorat und Lektorat unterscheiden, das eine billiger und kompakter, das andere teurer und zeitaufwendiger. Schwierig, denke ich mir dann immer: Wie machen die das bloß?
Theoretisch ist die Abgrenzung glasklar und eindeutig: Während es im Korrektorat um eine rein pragmatische Textkontrolle – also um Orthografie, Grammatik, Zeichensetzung, bei Arbeitsgängen im Layout auch um Silbentrennungen und Umbrüche – geht, wird der Aufgabenbereich im Lektorat um die Überprüfung und Verbesserung von Satzbau, Stil, Lesbarkeit, Stringenz und textimmanenter Logik ergänzt. Je nach Art des Lektorats kommt eine Faktenüberprüfung hinzu. Die Vorgänge im Lektorat können durchaus also in die Richtung redaktioneller Bearbeitung gehen.
Als Lektor – und da sind sich bestimmt alle einig – hat man das Ziel, einen Text so zu verbessern bzw. im weiteren Sinne zu optimieren, dass er nicht nur fehlerfrei, sondern auch gut und flüssig lesbar ist. Wie geht man aber vor, wenn man zwar vorhat, ein reines Korrektorat zu erledigen, beim Lesen aber auf holprige Sätze, unschöne oder womöglich sogar sinnverstellende Konstruktionen (Knackpunkt sind da beispielsweise oft Substantiv-Verb-Kombinationen), auf Probleme beim Satzbau und bei der Wortreihenfolge, auf Wiederholungen, Redundanzen, und, und, und stößt?
Was passiert beispielsweise im Korrektorat, wenn wir – als fiktives Beispiel – davon lesen, dass „die Wissenschaftler Müller und Maier die Erkenntnis festgestellt haben, dass XY vorliegt“ und eben nicht, dass „die Wissenschaftler Müller und Maier zu der Erkenntnis kamen, dass XY vorliegt“? Das Beispiel mag hanebüchen wirken, verdeutlicht aber ganz gut, was ich meine. Dem Auftraggeber kann man mit einem Korrektorat dann zwar einen um formale Tipp-, Komma-, Grammatik- und Orthografiefehler bereinigten Text übergeben, muss dabei aber wohl hinnehmen, dass der Text sprachlich nicht zwingend korrekt sein muss. Das Korrektorat ist klarerweise unverzichtbarer Teil des Lektorats, beide können in meinen Augen aber nur Hand in Hand gehen.
Natürlich gibt es Manuskripte, die so gut sind, dass ein reines Korrekturlesen ausreichend ist – nichtsdestotrotz fühle ich mich als Lektorin dazu verpflichtet, zumindest kontrollierend einen Blick auf alle „Tiefenschichten“ des Textes zu werfen. Ist die Frage, wie – um bei dem Bild zu bleiben – „tief“ man an einem Text arbeitet, also womöglich auch eine der Selbstverpflichtung?