Wandel im Buchhandel: Zeit für neue Konzepte

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Steffen Meier hat die Verlagsleitung Online beim Verlag Eugen Ulmer inne und ist vielen unter anderem als Twitterer interessanter Medien-Links bekannt. Seit circa einem Monat betreibt er nun auch seinen eigenen Blog meier meint… zu den Themen Medienzukunft, Medienmodelle, E-Books & Co. Dort hat er nun ein interessantes Interview mit Susanne Martin, der Inhaberin der Schiller Buchhandlung in Stuttgart, veröffentlicht, die sich hier im Blog auch schon im Rahmen eines Interviews vorgestellt hatte.

Sortimenter – Zeit für neue Konzepte!

Steffen Meier schreibt dazu:
“Während viele Verlage sich im Würgegriff der Digitalisierung zunehmend verunsichert fühlen, haben klassische Buchhandlungen, traditonell inhabergeführt, schon seit langem mit Problemen zu kämpfen, die der Einzelhandel in anderen Bereichen schon viel länger spürt – Dominanz durch Ketten, Filialisierung, Ladenfläche statt Inhalt und Beratung, aber auch ein Abwandern der Kunden hin zu großen Online-Shops.
Zeit für innovative Konzepte – und dass dies auch der Buchhandel trotz vieler Vorurteile durchaus kann, möchte ich hier mit neuen Ideen am Beispiel der Schiller Buchhandlung in Stuttgart aufzeigen. Anlass war eine kleine Meldung über das ‘Buchgenuss nach Ladenschluss’-Konzept, die mich neugierig machte.”

Nach Rücksprache mit Susanne Martin hat Steffen Meier freundlicherweise genehmigt, dass wir das Interview auch hier veröffentlichen – vielen Dank dafür!

 

Wandel im Buchhandel: Zeit für neue Konzepte

Steffen Meier: “Buchgenuss nach Ladenschluss” – was kommt denn da auf mich zu?

Susanne Martin: Sie vereinbaren mit mir einen Termin, an dem Sie und Ihre FreundInnen (sie sollten mindestens zu dritt sein) sich gerne hier einschließen lassen möchten. Mit mir deshalb, weil ich diejenige bin, die Sie dann auch wieder freilassen wird. Am vereinbarten Termin kommen Sie kurz vor 19 Uhr in die Buchhandlung. Dort stehen dann schon Getränke und Knabbereien für Sie bereit. Ich erkläre Ihnen dann ein wenig, wo was steht und beantworte eventuelle Fragen, dann lasse ich Sie alleine. Sie können in aller Ruhe stöbern und sich einen gemütlichen Abend machen. Spätestens um 22 Uhr komme ich dann wieder und lasse Sie raus. Wenn Sie etwas gefunden haben, das Sie interessiert, dann können Sie das noch erwerben. Natürlich gibt es auch einen Notausgang und eine Handynummer, falls irgendetwas Unvorhergesehenes passieren sollte 😉

Meier: Wie ist denn Ihre Erfahrung mit der Aktion?

Martin: Die Premiere ist Anfang März. Wir haben dieses Angebot unter unseren Serviceangeboten schon eine Weile im Netz stehen – ohne Resonanz. Jetzt habe ich es mit in unser Veranstaltungsprogramm aufgenommen, hatte viele Nachfragen und bereits 2 feste Termine.

Meier: Sie hatten netterweise betont, dass dies nicht Ihre eigene Idee war – wo finden sich denn die “Wurzeln”?

Martin: Mir hat eine befreundete Buchhändlerin aus dem Ruhrgebiet erzählt, daß ein Kollege aus ihrer ERFA – Gruppe das mit Erfolg anbietet. Der wohnt allerdings direkt über seiner Buchhandlung…. Aber mir hat die Idee gut gefallen und ich habe dann beim googeln festgestellt, daß bereits eine ganze Reihe von Buchhandlungen das anbietet. Ich habe außerdem festgestellt, daß es offensichtlich einen Bedarf gibt, mit anderen über Bücher zu reden und gemeinsam zu stöbern. Wir haben schon lange eine Frauengruppe, die sich jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit in unserer Buchhandlung zum Bücherplausch trifft. Dabei stellen sich die Frauen gegenseitig Bücher vor, auch ich stelle dabei immer ein oder zwei Buchfavoriten vor. Auch andere Frauengruppen waren schon in unserer Buchhandlung zu Gast und wollten von mir Bücher vorgestellt bekommen bzw. haben mich eingeladen zu Buchvorstellungsabenden.
Ich glaube, daß es immer mehr Menschen gibt, die durch vielfältiges berufliches und privates Engagement nicht mehr genügend Zeit haben, zu den normalen Ladenöffnungszeiten mit Muße einzukaufen. Solchen Gruppen möchten wir hier ein besonderes Angebot machen.

Meier: Neben Beratung und Regalfläche und der Aktion “Buchgenuss nach Ladenschluss” bietet Ihre Buchhandlung ja deutlich mehr.

Martin: Offline bieten wir mehrere Veranstaltungen und Aktionen im Jahr für Kinder und Erwachsene, oft auch in Kooperation mit Unternehmen hier im Stadtteil. Neben der klassischen Autorenlesung kann das z.B ein Fotowettbewerb sein oder eine Mittsommernacht, eine Welttagsrallye oder der Besuch unserer Vorlesepatin jeden ersten Samstag im Monat. Das alles dokumentieren wir in unserem Veranstaltungsarchiv: http://www.schiller-buch.de/html/deutsch/veranstaltungen/veranstaltungs_archiv/veranstaltungs_archiv.php
Online sind wir neben unserer Homepage www.schiller-buch.de auch auf Twitter und auf Facebook unterwegs. Außerdem produziere ich alle 4 – 6 Wochen einen Podcast unter dem Motto “Neues aus der Welt der Bücher”.

Auf unserer Homepage finden sich regelmäßige Buchbesprechungen unseres Teams, unserer jungen TestleserInnen oder der Erwachsenen VorkosterInnen. Diesen beiden Gruppen bieten wir an, sich bei uns Leseexemplare auszuleihen und sie testzulesen bzw vorzukosten. Bedingung ist, daß sie uns eine Rezension über das Buch incl. ihrer persönlichen Meinung schreiben. Diese Rezensionen stellen wir dann auf unsere Website. Bis jetzt nur die positiven, weil wir noch keine Möglichkeit haben, auf unserer Seite auch Kommentare und Diskussionen online zu stellen, aber vielleicht lässt sich das irgendwann auch noch ändern. Außerdem kann natürlich ein Newsletter abonniert werden, in dem u.a. auch die Veranstaltungen angekündigt werden.

Unsere Fanseite auf Facebook (http://www.facebook.com/pages/Stuttgart-Germany/Schiller-Buchhandlung/88200792881) bietet neben Buchrezensionen auch anderes, was im weitesten Sinne mit Büchern zu tun hat. Immer wieder stelle ich dort auch ein Gedicht ein mit einer schönen Fotografie, weise auf interessante Videos oder Podcasts hin und mehr. Wer mit auf Twitter (http://twitter.com/schillerbuch/) folgt, erfährt kleine Begebenheiten aus der Buchhandlung, Buchtipps etc. Im Podcast sind Autoreninterviews zu hören oder Gespräche mit anderen Buchmenschen, ab und zu gibt es auch Buchtipps des ganzen Teams.

Meier: Wo denken Sie, geht der Weg hin für kleine und mittlere Sortimenter?

Martin: Nun, ich denke, der stationäre Buchhandel hat 3 Problemfelder, denen er sich mehr oder weniger gleichzeitig widmen muss: Die Konzentration auf große Flächen, der Internethandel und die Digitalisierung. Vor allem der Internethandel und die Digitalisierung bergen eine große Dynamik in sich.

Gerade mittleren und kleinen Sortimenten hilft nur die Fokussierung auf die Warengruppen, in denen sie kompetent sind, ein gutes Ambiente im Laden und ein gut eingespieltes Team, das sich noch Zeit nimmt, sich den Bedürfnissen und Wünschen der Stammkundschaft zu widmen. Ich halte es für fatal, wenn kleine Buchhandlungen zuerst am Personal sparen, auch wenn die Betriebsberater etwas anderes sagen. Das Warenangebot muss ergänzt werden durch Angebote, die den Bedürfnissen der Menschen entgegenkommen, also z.B. kann man Möglichkeiten schaffen, in Ruhe außerhalb der normalen Öffnungszeiten einzukaufen und ähnliches. Empfehlenswert ist hier das Buch oder die Artikelserie im buchreport von Dorothea Redeker (http://www.dorothea-redeker.de/vortraege.html), in der die Rolle der Buchhandlungen neu definiert wird.

Genauso fatal ist es aber auch, wenn sich kleinere Buchhandlungen dem Internet und den digitalen Inhalten verweigern. Eine gut gepflegte Homepage erwarten die KundInnen von heute einfach – sie sehen sie als einen Spiegel dessen, wie die Buchhandlung offline agiert, ob uns das passt oder ob es stimmt spielt keine Rolle. Zu glauben “unsere” KundInnen interessieren sich nicht für E-Books ist naiv – wir haben mehr als 10 Reader verkauft und ich habe mit vielen KundInnen gesprochen, die zwar sagten, daß das für sie nichts ist, die sich aber trotzdem von mir das Gerät erklären ließen und die jetzt wissen, daß wir auch in diesem Bereich Ansprechpartner sein können.

Das alles zusammengenommen ist eine sehr große Herausforderung, weil es eine unglaubliche Bandbreite ist, die von uns verlangt wird und je kleiner die Buchhandlung, desto größer die Kapazitäts- und Zeitprobleme. Hier gilt es neben dem klaren setzen von Schwerpunkten auch zu lernen, Aufgaben, die wichtig sind und die einem nicht so sehr liegen, zu delegieren, bevor man gar nichts tut!

Meier: Vielen Dank für das Gespräch!

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