Stefan Krücken: Achterbahn um die Welt

Stefan Krücken: Achterbahn um die WeltStefan Krücken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (Fb). In seiner Kolumne “Unser kleiner Verlag” gibt er uns Einblicke hinter die Verlagskulissen.

Zweieinhalb Jahre später sitzt man dann also vor dem Fernseher und Markus Lanz sagt: „Ein absolut packendes und ungemein empfehlenswertes Buch“. Dann kommt Bobby Dekeyser ins Bild, erzählt von seinem Leben und von „Unverkäuflich!“. Zweieinhalb Jahre Arbeit stecken darin, zweieinhalb Jahre Erzählen, Aufschreiben, Zweifeln, Gestalten, und als das Buch dann am nächsten Mittag, nach anderen medialen Lobeshymnen unter den Top 20 von amazon.de geführt wird, fühlt sich das an wie der Gewinn einer kleinen Meisterschaft. Jedes unserer Bücher hat eine eigene Geschichte, was daran liegt, dass wir Bücher lieben und alles dafür tun, aber „Unverkäuflich“ ist ganz besonders. Eine Achterbahnfahrt, wie die Story von Bobby Dekeyser – von einem, der die Schule abbrach, im Tor des FC Bayern München stand und aus einem Bauernhof in der Lüneburger Heide eine globale Möbelmarke mit dreitausend Mitarbeitern erschuf.

Stefan Krücken: Achterbahn um die WeltEs sollte ursprünglich ein heiteres Buch werden, ganz fröhlich, optimistisch, so hatten Bobby und ich es geplant. Wenn ein Buch eine Farbe haben kann, sollte sie ein leuchtendes Orange sein. Doch dann starb Ann-Kathrin, seine Frau, ein Wesen wie ein Engel, mit der er drei Kinder hatte und 24 Jahre lang glücklich verheiratet war. Hirnschlag, Sekundentod mit 44. Es war, als stürze die Welt ein, für jeden, der sie kennenlernen durfte. Wochen nach ihrer Beerdigung saßen Bobby und ich in Hamburg an der Alster, es war ein kalter Herbsttag und wir überlegten, ob es überhaupt weitergehen sollte. Alles schien wie eingefroren. Ann-Kathrins Tod überschattete alles, und wenn wir die Idee verfolgen wollten, war klar, dass der Ton, den das Buch bislang hatte, nicht mehr angemessen war. Kann jemand, der das Wertvollste verloren hat, übers Mutmachen erzählen?

Wir versuchten es, wir machten weiter. Bobby Dekeyser, 48, ist ein Mensch, der immer wieder aufsteht. Nicht so, als sei nichts geschehen. Aber er lässt sich nicht unterkriegen, das hat er nie getan. Ich kenne niemanden, der so ist. Wenn man mit ihm Zeit verbringt, wenn man in seiner Nähe ist, hat man immer so ein Gefühl, dass alles möglich ist. Wir kennen uns seit 2005, seit ich über ihn ein Porträt für die Seite Drei im „Tagesspiegel“ schrieb. »Das Bobby-Prinzip« handelte davon, wie seine Firma mitten in der großen Wirtschaftskrise einen unglaublichen Erfolg erlebte, obwohl er alle Regeln brach. Ich ertappte mich während der Recherche dabei, zu hinterfragen, ob das alles echt war: Zu perfekt, zu glatt, zu schön erschien mir die Geschichte, und hinterher schämte ich mich für den Gedanken, dass etwas nicht stimmen konnte.

Ich glaube nicht, dass er den Artikel wirklich gerne las, doch wir mochten unsere Gespräche, wir spielten Fußball, wir tranken Bier, wir unterhielten uns oft und wurden Freunde. Die Idee, ein Buch zu schreiben, entstand Jahre später, nachdem Bobby seine Firma von den Investoren, an die er sie veräußert hatte, zurückgekauft hatte. Er hielt es nicht aus, dass Mitarbeiter entlassen werden sollten, er konnte nicht zusehen. Zyniker und Skeptiker und Neider haben eine Freude an ihm, denn er steckt voller Widersprüche, die unmöglich aufzulösen sind. Wer ihn als immer fröhlichen Sunnyboy einordnen will, liegt komplett falsch. Das Hauptproblem an der Bucharbeit aber war: Sein Terminkalender hat etwas von einer ewigen Welttournee, und wer ihn treffen will, muss ihn auf seinen Reisen begleiten. Wie viele tausend Kilometer wir in der Luft, auf der Straße und auf dem Wasser zurücklegten, läßt sich nicht sagen. Wir flogen auf die Philippinen, flanierten durch Hongkong, tranken viel Wein in New York, wir fuhren mit seinem Pick-up durch die Schweiz und brausten in einem Motorboot durch einen Sonnenuntergang über dem Genfersee, wir spazierten durch die Lüneburger Heide und schlichen über die Müllberge von Cebu, wir verliefen uns in den Gassen von Marrakesch und wurden in den französischen Alpen eingeschneit.

Während der zweieinhalb Jahre habe ich vieles gelernt. Wie Ann-Kathrin und er haben meine Frau Julia und ich drei Kinder, wie er leiten wir eine Firma. Seine Kinder sind größer und seine Firma ist viel größer, ein Verlag ist etwas anderes als eine Möbelmarke, und doch gibt es Anknüpfungspunkte. Vor allem an den Tagen, an denen man mit dem Rücken zur Wand stand und daran zweifelte, wie es weitergehen konnte, half sein Rat. »Habt Vertrauen, das wird schon«, sagte er manchmal, und das reichte. Wir hatten Vertrauen und es wurde schon.

Ich habe ihm das erste Exemplar von „Unverkäuflich!“ persönlich gebracht, weil sich das unter Freunden so gehört. Er war gerade in Kanada, am Lake Joseph, zwei Autostunden nördlich von Toronto. Die Abendsonne stand auf dem See, es roch nach Holz und nach Lagerfeuer. Wir sind in einem Kanu auf den See hinaus gerudert und dann haben wir die ersten Seiten gemeinsam aufgeschlagen. Eigentlich war der Moment noch besser als jede Lobeshymne oder jede Bestsellerliste. Ich bin sicher, er hätte Ann-Kathrin gefallen.

Freunde beim Fußballspiel in Hamburg: Bobby Dekeyser (rechts) und Stefan Krücken (Ankerherz):
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Eingeschneit in Megevé, französische Alpen:
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Bobby Dekeyser unterstützt seit vielen Jahren ein Hilfsprojekt des Paters Heinz Kulueke auf einer Müllhalde von Cebu, Philippinen.
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Kurz nach dem Tod seiner Frau Ann-Kathrin: Trauerstunden auf Ibiza:
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Letzte Textarbeit im Alten Tanzsaal, Ankerherz-Verlag.
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Es ist vollbracht: auf dem Kanu, Lake Joseph, Kanada:
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Bildquelle: Stefan Krücken

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