Dr. Aide Rehbaum: Die Selbständigkeit funktioniert nur durch ein breit gefächertes Angebot und die Pflege eines Netzwerks

Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Dr. Aide RehbaumWer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Ich heiße Dr. Aide Rehbaum, habe in Archäologie promoviert und bin seit 2004 selbständig. Die Selbständigkeit funktioniert nur durch ein breit gefächertes Angebot und die Pflege eines Netzwerks. Beispielsweise inventarisiere ich online Fachaufsätze für eine Firma, habe schon ethnologische Museumssammlungen inventarisiert und betreue Firmenarchive. Zwar bin ich spezialisiert auf Auftragsbiografien in kleiner Auflage und Firmenjubiläumsschriften, aber zu einem weiteren Puzzlesteinchen sind auch Romanbiografien geworden. Viele Jahre lang publizierte ich Artikel in der historisch orientierten Wochenendbeilage einer Tageszeitung, hauptsächlich zu Forschungsreisenden, Gegenständen oder Bräuchen des 19. Jahrhunderts. Ich sah das als meinen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung, denn meistens ist es mir gelungen, noch nicht publiziertes Material aufzustöbern und auszuwerten. Das Libretto für ein Musical über den Kurfürsten Clemens August, das seine Bedeutung für Bonn in den Mittelpunkt stellt, war der witzigste Auftrag bisher. Meine künstlerische Ader nutzt mir, indem ich meine Bücher illustriere und die Cover gestalte.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich arbeite am liebsten morgens ab 9 Uhr. Nach mindestens vier Tassen Kaffee zum Frühstück und sobald ich alleine bin, lese ich, vorzugsweise englische oder schwedische Krimiautoren. Nach etwa einer Stunde, beschwingt, wenn die Sonne hereinscheint, setze ich mich an den Schreibtisch und nehme das nächste Kapitel in Angriff, überarbeite es oder bereite den Unterricht in der Volkshochschule vor. Dazu zwitschern höchstens die Vögel, andere Musik stört. Ich male zwei Stunden drinnen oder bildhauere in Holz draußen, höre dabei WDR 5 und schreibe dann weiter, bis mein Lebensgefährte nach Hause kommt und der Kochtopf ruft. Abends unterrichte ich für zwei Stunden eine Schreibgruppe oder coache Kunden beim selber Schreiben ihrer Lebensgeschichte. Ich bin Handyverweigerer und komme glänzend ohne aus. Das Festnetz reißt mich schon mal komplett aus einer Revolution oder einer Person. Mitunter habe ich buchstäblich Anlaufschwierigkeiten, wenn ich vom Schreibtisch aufstehe.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

In meinem engeren Fachgebiet habe ich nie gearbeitet. Schon die erste befristete Stelle lenkte mich zumindest auf die Museums- und Dokumentationsschiene: Museumseinrichtung, Bibliotheksleitung, Ausstellungsplanung, Datenbankentwurf zu einem historischen Thema und weiß der Teufel, was noch. Irgendwann hatte ich das Lesen von Stellenanzeigen dicke. Ab einem gewissen Alter wird die Luft dünner. Eine Woche Intensivkurs und ich war Autobiografikerin, der nächste Schritt war die Abnabelung von einem Franchiseunternehmen.

Als ich noch in der Stadt wohnte und für die Zeitung schrieb, recherchierte ich viel in der Universitätsbibliothek und Archiven, heute mehr im Internet. Ich notiere mir ständig Ideen und füge sie auch in fast fertige Kapitel ein oder sammle das Material sortiert nach Themen, die in der nächsten Zeit „dran“ sind. Manche Ideen trage ich länger mit mir rum, seit Jahren einen Krimi über meinen Urgroßvater. Aktuellere oder überschaubarere Projekte schieben den raus. Aber die Protagonisten entwickeln sich langsam. Ich habe mir als Mahnung einen bebilderten Stammbaum angefertigt und über den Schreibtisch gehängt. Das Wochenende versuche ich mir für meinen Liebsten freizuhalten.

Glücklicherweise habe ich einen wunderbaren Partner gefunden, der mir seine technischen Kenntnisse zur Verfügung stellt. Wir machen Interviews zu neuen Büchern und meinen Tätigkeitsbereichen, die innerhalb des Bürgerfunks zu Sendungen für Radio Bonn/Rhein-Sieg oder Beiträgen in YouTube verarbeitet werden. Er hat meine Homepage erstellt und pflegt den Katalog meiner Bilder, filmt bei Vernissagen und sammelt Hintergrundgeräusche, die bei Lesungen die Atmosphäre anschaulicher machen. Wenn ich alle seine Ideen zur Vermarktung umsetzen wollte, käme ich nicht mehr zum Schreiben. Eine Verwandte hat mit ihren Musikschülern zur Auflockerung beigetragen. Seit Neuestem habe ich einen Hobbymusiker, der begeistert mit seinem Metallophon und der Caisa dabei ist.

Den ersten Roman habe ich aus Kurzgeschichten zusammengesetzt, sie nachträglich in eine chronologische Reihenfolge gebracht und durch einen roten Faden verbunden. Inzwischen arbeite ich systematischer mit Steckbriefen und Stufendiagramm.

Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Wie ich Facebook als Werbeplattform einbinden könnte. Erst kürzlich habe ich mich aufgerafft, mich bei dem Zeitfresser anzumelden. Es wirkt alles sehr chaotisch. Direkter Mailkontakt zu potentiellen Käufern meiner Bücher scheint mir sinnvoller als die weite Streuung marginal interessierter Kollegen. Meine Romane sprechen Leser mit sehr speziellen Interessen an, da sie Afrika und Migration zum Thema machen aber nicht die üblichen Klischees erfüllen. Den letzten habe ich deswegen mehr auf die Schiene „Frauenliteratur“ gesetzt anstatt „Biografie einer Nicht-Prominenten“. Erfreulicherweise habe ich auch schon Rückmeldung von Männern, denen der Stoff gefällt. Ich verteile überall Flyer, wo ich mich bewege und habe Zeitungsträgern schon stapelweise zum Verteilen gegeben. Da ich in etlichen Schreib-Gruppen bin, kommen Gelegenheiten zum Lesen öfter.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?

Ein großer Verlag, der eine Leserundreise organisiert und für Stapel im Buchhandlungseingang sorgt. Rezensenten in großen Zeitungen oder Magazinen.

Wo finden wir Sie im Internet?

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Dr. Aide Rehbaum

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