TG Gergely Teglasy: Manche nennen mich liebevoll Kreativitätssau

Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

TG Gergely Teglasy

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Ich bin zwei Buchstaben, ich bin TG (das ist ein Akronym für meinen unaussprechlichen ungarischen Namen). Nachdem ich keine Katze habe, kann ich keine Katzenbilder posten. Also nütze ich Facebook ein wenig anders: Ich schreibe Zwirbler, den 1. Facebook-Roman der Welt. Seit 4 Jahren. Mit 16.000 Fans. Interaktiv, real-time und in Statusmeldungen zu je 420 Zeichen auf facebook.com/Zwirbler.Roman

Soeben habe ich mit dem kladde|verlag crowdfunding gestartet. Wir holen gemeinsam mit den Lesern Zwirbler aus Facebook. Auf Papier. Als Buch und auf Klopapier. Denn Facebook kann mehr Tiefgang als ein Stuhlgang haben.

Ich hatte aber auch schon ein Leben vor Zwirbler. Ich habe den Ab Ovo Verlag in Budapest gegründet (u .a. Elfriede Jelinek, Andreï Makine und Amos Oz herausgegeben), Theaterstücke & Drehbücher (In Heaven – Kinofilm) geschrieben und Thomas Bernhard übersetzt.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Um 6.30 frage ich mich, ob der Wecker wirklich mich meint. Etwas später steht mein Körper auf. Unter Tags unterrichte ich (u.a. an der Universität Wien) und halte Workshops und Vorträge zu Kreativität, Storytelling & Social Media. Dabei habe ich eine ganz klare Aufgabe: die Kreativität bei den Studierenden zu wecken, die das Schulsystem versucht hat zu vergraben. Und das Thema Lernen wieder positiv zu besetzen: Mit Neugier, mit Leidenschaft und dem Mut Fehler zu machen.

Danach werfe ich mich aufs Motorrad und fahre eine Runde Schwimmen. Dann bin ich frisch fürs Büro und bereit um Projekte und Unternehmen zu Kommunikation zu beraten oder um Essays zu schreiben: zu Kommunikation 3.0, zu Social Media, zum Leben in der Cloud. Dabei versuche ich nicht zu viele Ideen zu haben. Manche nennen mich liebevoll Kreativitätssau.

Der Abend gehört dann Zwirbler. Manchmal auf der Terrasse, meist im Kaffeehaus. Immer mehr und immer länger, als ich es mir denke. Aber es gibt nichts, was so inspirierend ist, wie wenn Ahnungen zu Gedanken werden, die sich dann in Wörter verwandeln. Ich lese die Kommentare, die verrückten Ideen und hervorragenden Texte der Fans und baue sie in die Geschichte ein. Nie wissend, was ich am nächsten Tag schreibe. Das ist das Glück des Ungewissen. Ich sorge dafür, dass die Geschichte aus einem Guss ist, einen roten Faden hat. Dabei kämpfe ich oft mit einem Wort oder einem Satzzeichen. Denn keine Statusmeldung darf länger als 420 Zeichen sein. Das ist die technische Limitierung, die Facebook am Anfang vorgegeben hat und an die ich mich seitdem halte. Sie fördert den Einfallsreichtum. Gerade weil sie nicht bequem ist.

Danach sollte ich ins Bett gehen. Das schaffe ich aber selten und nie vor Mitternacht. Weil ich ein Nightaholic bin, ich liebe die Nacht. Da ist viel mehr möglich, als im Licht des Tages.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

Die Unabhängigkeit von Orten weiß ich sehr zu schätzen. Ich habe Zwirbler in Paris, in Singapur und in Los Angeles geschrieben. Wo WLAN, da Zwirbler.

Dabei sehe ich jedoch die Nachteile unserer Zeit durchaus: Das Lernen muss heute viel schneller gehen, die Halbwertszeit sinkt. Oftmals sind wir vom Tempo schlichtweg überfordert. Um in diesem Mehr und Schneller nicht unterzugehen, werden wir in Zukunft stärker filtern müssen. Sonst ertrinken wir in Information, während es uns nach Wissen dürstet. (Das ist übrigens ein Zitat aus Zwirbler.)

Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Davon habe ich zwei. Das erste ist allgemein und bezieht sich auch, aber nicht nur auf Arbeit.

Vor ein paar Tagen war ich als Zuseher bei einem Marathonrennen. Ich stand mit einem Freund inmitten von hundert anderen an der Zielgeraden und die Läufer rannten an uns vorbei. Erschöpft, müde, mit letzter Kraft, an ihrer körperlichen Grenze. Wir beide haben wie wild geklatscht, sie laut rufend angefeuert und gespürt wie ihnen das Kraft für die letzten Meter gibt. Wir waren die einzigen. Alle anderen standen stumm daneben und sahen nur zu. Wie bringt man also Menschen dazu, andere bei ihrem Lauf zu unterstützen? Viele sehen ein mutiges Projekt und sagen: „Tolle Sache!“ und dann lehnen sie sich bequem zurück, ohne den Finger zu rühren. Weil sie denken, dass ihr Beitrag nicht wichtig ist. Dabei ist ein Projekt (egal welches) nichts ohne jeden einzelnen, der daran teilnimmt.

Und für ein aktuelles Problem suche ich auch noch eine Lösung: Wie bringen wir Zwirbler dazu, Facebook zu verlassen. Der wehrt sich nämlich vehement dagegen.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?

Menschen, die mutige Ideen schätzen. Und Menschen, die neue Wege der Literatur unterstützen. Mit Leidenschaft. Klar, wir können scheitern. Aber lieber mit Feuer und Flamme im Herzen scheitern, als Mittelmaß aus Bequemlichkeit zu ertragen. Wer diese Begeisterung in sich hat, sollte mal hier hinschauen.

Denn diese Gelegenheit gibt es nur einmal und nur jetzt.

Wo finden wir Sie im Internet?

Mich unter tg-inspiration.com und Zwirbler unter zwirbler.com/cf – aber nur solange, bis er aus Facebook herauskommt …

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: TG Gergely Teglasy

Anzeige (falls eingeblendet)

Schreibe einen Kommentar