Lukas Adolphi: Ich habe mit meinem Spaßbuch offenbar einen Nerv getroffen

Lukas Adolphi: Ich habe mit meinem Spaßbuch offenbar einen Nerv getroffenDie folgenden sechs Fragen unserer Interviewreihe werden seit 2009 regelmäßig von interessanten Menschen beantwortet, die „was mit Büchern“ machen, und hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf Buchmenschen lenken und die zum anderen Veränderungen und Herausforderungen in den unterschiedlichsten Bereichen des Publishing sichtbar werden lassen. Unser Ziel damit ist es, die Menschen noch enger in den Kontakt und Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Lukas Adolphi: Ich habe mit meinem Spaßbuch offenbar einen Nerv getroffen

Mein Name ist Lukas Adolphi. Ich sehe mich selbst als Gestalter und wandle an der Grenze von Kunst und Design. Ein besonderes Faible habe ich für das Medium Buch. Viele meiner Projekte enden letztlich zwischen zwei Buchdeckeln. In allererster Linie mache ich es immer für mich. Ich möchte ein Projekt in eine griffige und (be)greifbare Form bringen. Dafür hat sich das Buch als das probate Mittel der Wahl herausgestellt. Ich habe bereits viele verschiedene Bücher produziert. Während einer Fahrradtour von Deutschland in die Türkei habe ich beispielsweise Bushaltestellen fotografiert. Ich war begeistert von der Vielfältigkeit dieser profanen Zweckbauten. Damit die Sammlung dann nicht einfach als Ordner auf einer Festplatte endet, habe ich daraus ein Buch gemacht. Bisher ist es ein Einzelexemplar. Ich habe einige Bücher dieser Art produziert.

Ein weiterer Ansatz sind monothematische Interviewreihen, die ich geführt habe. Meine Bachelorarbeit zum Beispiel trägt den Titel „Zum Glück verrückt – eine Interviewreihe zu den Themen psychische Erkrankungen und kreativer Ausdruck“. Zu diesem Zweck habe ich Personen recherchiert, die in diesem Kontext beheimatet sind. Sprich: Menschen, die mit psychischen Erkrankungen leben und sich auf die eine oder andere Weise kreativ betätigen. Und ich habe mich mit Menschen unterhalten, die mit psychisch Kranken auf kreative Art und Weise arbeiten, zum Beispiel in Form von Theaterpädagogik oder Malerei. Diese Interviews habe ich wiederum transkribiert und editiert. Im Anschluss habe ich das Layout der Publikation entwickelt und umgesetzt. Abschließend habe ich das Buch mit einem Risograph gedruckt und die Bücher selber gebunden. Ich habe das Projekt also von Anfang bis Ende komplett betreut. Diese Art Bücher zu produzieren bereitet mir besondere Freude, da ich mich in vielen verschiedenen Feldern betätigen kann. Ich arbeite journalistisch, als Grafiker, als Drucker, als Buchbinder und als Vertrieb. Auf diese Weise kann ich viele verschiedene Seiten von mir bespielen.

Im Moment bin ich vor allem als Herausgeber eines kleinen Spaßbuchs beschäftigt. Es trägt den Titel „die cops ham mein handy“. Mir wurde vor mehreren Jahren mein Telefon geklaut. Nach mehreren Monaten und Gerichtsverhandlungen bekam ich es wieder zurück. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass der Dieb das Telefon zwei Wochen lang benutzt hatte. Alle gesendeten und empfangenen Nachrichten waren gespeichert. Diese Nachrichten habe ich nun in Form eines Buchs veröffentlicht, welches sich optisch stark an klassischen Reclam-Bänden anlehnt. Die erste Auflage war binnen Stunden vergriffen. Im Januar 2018 erschien die zweite Auflage, mit freundlicher Genehmigung des Reclam-Verlags.

Lukas Adolphi: Ich habe mit meinem Spaßbuch offenbar einen Nerv getroffen

Ohne, dass ich damit gerechnet oder es gar intendiert hätte, habe ich mit dem Buch offenbar einen Nerv getroffen. Das Internet hat sich unmittelbar darauf gestürzt. Binnen weniger Tage wurde es in zahlreichen Medien besprochen, unter Anderem bei Nerdcore, Business Punk, Vice, Neon, Bento/Spiegel Online, Zeit, art, taz, detektor.fm, Deutschlandfunk, MDR Sputnik, Rheinische Post, radioeins und viele weitere. Ich wurde völlig überrannt mit Bestellungen. Da ich nur eine kleine 50er-Auflage gedruckt hatte, konnte ich die riesige Nachfrage natürlich in keiner Weise bedienen. Ich konnte die Leute nur auf Januar vertrösten und versprechen, dass ich Bescheid gebe, wenn die zweite Auflage verfügbar ist. Mittlerweile ist die zweite Auflage erschienen. Es gibt mittlerweile Leute, die sich um mein Booking kümmern und die mich durch den kompletten deutschsprachigen Raum für Lesungen verbuchen. Das Hörbuch ist in Arbeit. Im Theater wurde es bereits umgesetzt. Ich bin gespannt, was dieses Jahr noch so damit passieren wird.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

So etwas wie einen klassischen Arbeitstag gibt es bei mir eigentlich nicht. Dadurch, dass mein Buch „die cops ham mein handy“ zur Zeit so erfolgreich ist, bin ich momentan finanziell abgesichert. Ich habe mich dafür entschieden, dieses Jahr nicht mehr angestellt zu arbeiten, sondern mich primär um die Vermarktung des Buchs zu kümmern. Parallel kümmere ich mich um einige freie Projekte.

Ein Tag beginnt meistens ohne Weckerklingeln. Ich wache meistens zwischen 6 und 7 Uhr auf und stehe zwischen 8 und 9 Uhr auf. Dann frühstücke ich gemütlich. Anschließend setze ich mich an den Schreibtisch und gehe meine Emails durch. Ich bearbeite neu eingetroffene Bestellungen, sprich: Rechnung drucken, Adressetikett drucken, Buch verpacken, nächste Bestellung. Einmal am Tag gehe ich zur Post und verschicke die Bestellungen. Außerdem schreibe ich Zeitungen an, ob sie über das Buch berichten wollen. Dann kommen Anfragen meiner Booker, mit Terminvorschlägen für geplante Lesungen. Kaffee trinken. Am nächsten Buch arbeiten (es wird ein illustriertes Reisetagebuch über die Fahrradtour von Deutschland in die Türkei). Reportagen auf Arte schauen. Rauchen. Auf Facebook Freunde und Bekannte zur nächsten Lesung einladen. Auf Instagram ein Zitat aus dem Buch posten.

Insgesamt kann man sagen, dass die Tage so dahinfließen. Es gibt selten einen klaren Fahrplan. Ich mache einfach, was mir gerade in den Sinn kommt. Und erstaunlicherweise kann ich davon leben.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

Die größte Veränderung hat sich durch den Erfolg des Buchs eingestellt. Bis Mitte November habe ich angestellt in einer Agentur in Leipzig gearbeitet. Dort wurde ich gekündigt. Dadurch hatte ich plötzlich unerwartet viel Freizeit und konnte endlich das Buch fertigstellen. Eine Woche bevor mein Arbeitsvertrag in der Agentur dann auslief, brach der Wirbel um das Buch aus – und nach ein paar Tagen des Schocks war klar: ich habe einen neuen Job. Ich befinde mich gerade in der äußerst luxuriösen Situation in die Selbständigkeit zu starten und mir keinerlei Sorgen darum machen zu müssen, wie ich im kommenden Monat die Miete bezahle. Es ist sozusagen die perfekte Symbiose aus der Freiheit der Selbständigkeit und der Sicherheit der Festanstellung. Ich bin sehr gespannt auf den weiteren Verlauf des Jahres.

Was ist ein Problem, für das Sie eine Lösung suchen?

Es gibt eigentlich sehr wenig Probleme in meiner aktuellen Situation. Ein Nachteil, den ich als Eigenverleger sehe, ist, dass ich sehr abhängig von Medien und Multiplikatoren bin. Wenn das Buch gerade wieder irgendwo besprochen wird, kommt ein großer Schwung Bestellungen rein. Ansonsten plätschert es eher vor sich hin. Sprich: ich bin darauf angewiesen, dass immer wieder über das Buch berichtet wird. Sonst bleibe ich auf meiner Auflage sitzen.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Bezugnehmend auf die vorangehende Frage: jeder, der in irgendeiner Weise als Multiplikator tätig ist. Das heißt: Blogger, Journalisten, TV-Redakteure etc.

Wo finden wir Sie im Internet?

Mein Portfolio: lukasadolphi.de
Der Webshop: lukasadolphi.com

Foto: Henry Laurisch

Hinweis: Lukas Adolphi ist auch Redner bei der Leipziger Autorenrunde am 17. März auf der Leipziger Buchmesse. Dort sind Leander Wattig und ORBANISM Kooperationspartner.

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