Schade, dass sogar Juristen in der Medienwandel-Debatte unsachlich argumentieren

Ich finde ja nicht erst seit heute, dass viele Diskussionen rund um den Medienwandel und dessen Folgen daran kranken, dass sie zu stark meinungsgetrieben sind. Ein weiteres Beispiel dafür fiel mir nun in der Juli-Ausgabe des buchreport.magazin in die Hände. Dort antwortet der Jurist Professor Dr. Christian Russ, welcher seit 1994 (Buch-)Preisbindungstreuhänder ist, im Interview wie folgt:

(…)
buchreport: Als ein wichtiger Punkt zur Rechtfertigung des Preisbindungsgesetzes gilt die flächendeckende Versorgung mit Büchern. Stellt sich die Frage nach der Legitimation mit der Etablierung des Online-Handels neu?

Russ: Die Rechtfertigung der Preisbindung ist immer die Förderung der Buchkultur, und die hat mehrere Aspekte. Auch im Zeitalter des Internets sollte es möglichst überall kleinere und mittlere Buchhandlungen geben, damit die Menschen sehen, wie es ist, in einer Buchhandlung zu sein. Es ist immer noch ein großer Unterschied, ob ich diese geistige Tankstelle vor Augen habe oder ob ich in einer Welt lebe, in der nur noch mein Computer und ich miteinander kommunizieren. Von daher ist es aus meiner Sicht immer noch so, dass ein großes Interesse an einem weit verzweigten Buchhandelsnetz bestehen bleibt, auch wenn das Internet bis in den letzten Winkel Deutschlands geliefert werden kann.
(…)

Ob kleinere und mittlere Buchhandlungen in den meisten Fällen als “geistige Tankstellen” Eindruck machen – schon darüber könnte man streiten. Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Besonders gewagt finde ich aber vor allem die Behauptung, dass wir jenseits von Buchhandlungen in einer Welt leben, “in der nur noch mein Computer und ich miteinander kommunizieren”. Das ist genau die Art von unsachlicher Zuspitzung, die der Debatte schadet, weil sie ein Entweder-Oder befördert und rhetorische Verteidigungshaltungen hervorruft. Die aktuellen Entwicklungen rund um das Internet zeigen ja vielmehr, dass die Online- und Offline-Welten zusammen wachsen. Die Instrumente des Social Web werden immer stärker genutzt, um den persönlichen Austausch zu unterstützen und aufzuwerten. So schnell ändert sich der Mensch selbst nämlich nicht, als dass es ihm reichen würde, nur mit Computern zu kommunizieren.

Wenn sich sogar ein Preisbindungstreuhänder auf so einer Argumentationsebene bewegt, bin ich jedenfalls wenig zuversichtlich, dass Skeptiker von der Notwendigkeit einer Buchpreisbindung überzeugt werden können.

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