Pola Sarah Nathusius: Wichtig ist, wer welche Verantwortung übernimmt

Wir mögen Menschen, die Menschen zusammenbringen. Solche Community-Profis und Menschenvernetzer*innen befragen wir in dieser Interviewreihe zu ihren Projekten.

Wer sind Sie und wie bringen Sie Menschen zusammen?

Pola Sarah Nathusius

Mein Name ist Pola Sarah Nathusius. Ich leite den Bereich Audience Development bei der Innovations- und Digitalagentur ida. Außerdem bin ich Journalistin, arbeite seit mehr als 10 Jahren für die ARD und andere Medien und produziere für alle Ausspielwege. Das heißt: von der Fernseh-Reportage über Live-Berichterstattung im Radio, einem eigenen Podcast (Das F-Wort) bis zu Journalismus auf Social Media habe ich alles gemacht. Meine Schwerpunktthemen sind Feminismus, Jüdisches Leben & Antisemitismus sowie Digitalthemen.

Ich bringe Menschen auf drei Wegen zusammen:

Bei ida kümmere ich mich darum, dass unsere Kund:innen mit ihren Produkten auch wirklich die Zielgruppe erreichen, die sie erreichen wollen. Sie haben eine coole Serie produziert? Einen spannenden YouTube-Kanal gestartet? Oder ein witziges Instagram-Format? Auf Basis von genauen Datenanalysen, journalistischem Fachwissen und guten Kampagnen bringen wir die Nutzer:innen und die tollen Formate zusammen.

In meiner Berichterstattung versuche ich, den Zuhörer:innen und Zuschauer:innen Welten, Geschichten und Protagonist:innen zu zeigen, die sie noch nicht kannten. Ich erzähle in der Vice zum Beispiel von der LGBTQI-Szene in Tel Aviv, wo ich gelebt habe. Oder spreche in meinem Podcast mit Sinnfluencerin Louisa Dellert darüber, dass die Klimakatastrophe Frauen härter trifft als Männer. Oder mache eine Instagram-Story für Das Erste zu Antisemitismus auf dem Fußballplatz.

Und: Ich bin großer Fan des Netzwerkens. Gerade als Frau halte ich es für unerlässlich, dass wir untereinander gut vernetzt sind. Um uns über die guten und schlechten Erfahrungen auszutauschen, die wir in der Medienbranche machen. Aber auch, um zum Beispiel offen über Honorare zu sprechen und uns inhaltlich auszutauschen und weiter zu bilden. Dafür nutze ich sämtliche Sozialen Netzwerke, vor allem Twitter, seit neustem auch Clubhouse.

Pola Sarah Nathusius

Was bedeutet für Sie Community bzw. Gemeinschaft?

Eine Community ist ein Raum, in dem ich sein kann, wie ich bin. In der Menschen wertschätzend und respektvoll miteinander umgehen und sie durch ein Thema oder eine Weltanschauung verbunden sind. Das bedeutet nicht zwingend, dass immer alle einer Meinung sind – aber, dass man sich aufeinander verlassen kann.

Welche Menschen haben Sie zuletzt so richtig begeistert und warum?

Sineb El Masrar kenne ich schon länger von ihren Büchern und von Twitter. Dort haben wir uns immer mal wieder per Nachricht ausgetauscht – und schließlich einfach mal telefoniert. Das Telefonat ging ganze 3,5 Stunden und wir haben über Feminismus, Repräsentation und Diversität in deutschen Medien und eine differenzierte Debatte zum Islam diskutiert. Sineb El Masrar ist eine sehr kluge und engagierte Frau, die zusammen mit anderen eine Basis gelegt hat für viele junge Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte, die jetzt frisch in Medienunternehmen kommen.

Außerdem bin ich begeistert von meiner ida-Kollegin Theresa Heilmann. Sie ist bei uns für die Kommunikation verantwortlich und nicht nur eine extrem kreative und kompetente Kollegin, sondern behält auch bei stressigen Riesen-Projekten die Nerven und die gute Laune. Mit ihr kann ich mich unprätentiös austauschen, weil Theresa Heilmann nicht auf Hierarchien achtet, sondern daran interessiert ist, Projekte nach vorne zu bringen. Sie ist durchsetzungsstark, experimentier- und abenteuerlustig und viel von der Welt gesehen. Kolleginnen wie Theresa Heilmann machen mir den Arbeitsalltag leichter, geben mir Kraft und Mut.

Zu guter Letzt fällt mir Julia Leeb ein, die ich auf einer Delegationsreise durch Israel kennen gelernt habe. Julia Leeb ist Kriegs- und Krisenreporterin, die mit einer Unerschrockenheit in Konfliktregionen reist, die wirklich bemerkenswert ist. Gleichzeitig bringt Julia Leeb eine Begeisterung für modernes Storytelling und neue Technologien mit und behält das große Ganze im Auge. Gespräche mit ihr rücken so einiges wieder in eine ganz andere Perspektive und das gibt es viel zu selten.

Welcher ist Ihr liebster Begegnungsraum und warum?

Ich begegne Menschen am liebsten auf Reisen und wenn ich unterwegs bin. Ich war noch nie der Mensch, der Urlaub in einer Hotelanlage macht und that’s it. Ich reise in der Regel irgendwo hin, wo ich mindestens eine Person kenne – und sei es nur über einen anderen Kontakt. Ich will nicht nur Tourist:innen-Spots anschauen, sondern Menschen kennen lernen. Andere Lebensrealitäten zu entdecken, sich auszutauschen, das finde ich wahnsinnig wertvoll. Wenn man ein Mindset teilt, ist es egal, ob man auf demselben Kontinent lebt. Oft bin ich noch Jahre später mit diesen Menschen über Social Media in Kontakt. Zum Beispiel mit Stefan, der sich in Großbritannien gegen Antisemitismus auf Social Media einsetzt oder Josh, der Krebsforschung in Boston betreibt oder Ellen, die als Frontend Entwicklerin in Belgien arbeitet. Alle habe ich auf meinen Reisen durch Israel kennen gelernt.

Welches Community-Format hat Sie zuletzt so richtig begeistert und warum?

Clubhouse. Ja, ich weiß, Hype-App mit vielen Nachteilen. Und trotzdem habe ich tolle Erfahrungen mit Clubhouse gemacht. Dalia Grinfeld, Aktivistin bei Keshet und der Jüdischen Studierenden Union Deutschland, kenne ich von einem Social-Media-Dreh vor drei Jahren. Sie hat mich angesprochen, ob wir einen Gesprächsrunde zur Darstellung von jüdischem Leben in deutschen Medien machen wollen. Sehr spontan und ohne große Vorbereitung haben wir das dann einfach mal ausprobiert und tatsächlich fast 1,5 Stunden mit 20 – 25 Leuten darüber diskutiert, wo Probleme in der Berichterstattung auffallen, was wir tun könnten, um das zu verbessern, welche Rolle Pop Kultur, Filme und Serien spielen. Hinterher haben Dalia und mich diverse Nachrichten erreicht, dass die Menschen das Format toll fanden und gerne zugehört haben. Das hat mich total gefreut, weil ich den Eindruck hatte, dass wir mit verhältnismäßig wenig Aufwand bei ein paar Menschen neue Eindrücke hinterlassen konnten.

Welche Community-Formate gibt es noch zu wenig?

Keine. Der Markt ist übersättigt mit Sozialen Netzwerken, Foren, Apps usw. Ich denke, viel wichtiger ist, wie wir diese Netzwerke nutzen und wer welche Verantwortung übernimmt. Natürlich gibt es wahnsinnigen Nachholbedarf bei den Betreiber:innen von Netzwerken wie TikTok und Twitter was z.B. Diskriminierung angeht. Aber häufig verlieren wir aus dem Fokus, dass auch die Nutzer:innen Verantwortung haben und sie übernehmen müssen. Wir gestalten mit, wie Soziale Netzwerke sind, genutzt werden können und wer sich dort sicher und aufgehoben fühlen kann.

Pola Sarah Nathusius

Wie messen Sie den Erfolg von Begegnungsformaten und wie könnte das noch besser gelingen?

Erfolgreich sind Begegnungen generell dann, wenn alle Beteiligten sich wohl und respektiert fühlen und am besten sogar mit einem Erkenntnisgewinn aus der Begegnung rausgehen. 2021 erwarte ich da endlich keine All-Male-Panels mehr und auch keine Diskussionen und Räume, die in kürzester Zeit von weißen Männern gekapert werden – wie es ja auch schnell auf Clubhouse passiert ist.

Was ist ein Problem, für das Sie eine Lösung suchen?

Mangelnde Gleichberechtigung. Es ist ein gesellschaftliches Armutszeugnis, dass Frauen nach wie vor strukturell und sehr individuell diskriminiert und benachteiligt werden.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Frauen, die in der Medienbranche arbeiten und sich vernetzen und austauschen wollen, können sich immer gerne melden. Außerdem freue ich mich über Kontakt zu Medienhäusern, Redaktionen und Organisationen, die ihre Produkte besser, moderner und Zielgruppen-spezifisch gestalten wollen. Völlig egal, ob TikTok-Kanal oder YouTube-Serie. Und ich freue mich über Kontakte zu Redaktionen, die Geschichten über jüdisches Leben abbilden wollen, die sich nicht nur um Antisemitismus und die Shoah drehen, sondern um aktives, vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland.

Pola Sarah Nathusius

Wo finden wir Sie im Internet?

Auf Twitter, LinkedIn, TikTok, Instagram und Clubhouse unter @polasarah.

Wem sollten wir diese Fragen auch mal stellen – wer ist aus Ihrer Sicht eine großartige Menschenvernetzer*in?

Sineb El Masrar, weil sie »Women supporting women« lebt.

Saba-Nur Cheema von der Bildungsstätte Anne Frank, weil sie seit vielen Jahren Menschen durch ihre Arbeit bei der Bildungsstätte zusammen bringt und Horizonte öffnet.

Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung des Zentralrat der Juden in Deutschland. Sie hat, in Zusammenarbeit mit Frauen wie Anna Staroselski und Laura Cazés die Veranstaltung »Jewish Women Empowerment Summit« ins Leben gerufen und damit einen einzigartigen Begegnungsraum für Feminist:innen im jüdischen Kontext geschaffen.

 

Fotos: (c) privat

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