Sylvia Hustedt, u-institut: Es braucht mehr Innovation Camps und Labore

Wir mögen Menschen, die Menschen zusammenbringen. Solche Community-Profis und Menschenvernetzer*innen befragen wir in dieser Interviewreihe zu ihren Projekten.

Wer sind Sie und wie bringen Sie Menschen zusammen?

Sylvia Hustedt, U-Institut

Sylvia Hustedt, u-institut: Es braucht mehr Innovation Camps und LaboreIch bin Geschäftsführerin und Vorstand des u-instituts. Mit Projekten wie dem Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes oder der Auszeichnung Kultur- und Kreativpiloten Deutschland unterstützen wir die Kultur- und Kreativwirtschaft darin, dass ihre Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft stärker wahrgenommen wird.

Das sind auch die Bereiche, in denen ich bzw. wir die meisten Menschen zusammenbringen. Wir veranstalten in ganz Deutschland Workshops, Konferenzen, Learning Journeys und Innovation Camps zu Themen der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dort begegnen Menschen einander, die sich ohne diese Plattform wahrscheinlich nicht getroffen hätten und die auf den ersten Blick vielleicht auch gar nicht zusammen zu passen scheinen. Daraus entstehen dann oftmals die interessantesten Verbindungen und wirklich tolle Projekte. So haben wir z.B. die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin für eine Company Residency mit einem 3-D-Künstler von The Constitute zusammengebracht oder vier Kreativunternehmer*innen aus unserem Fellows-Netzwerk mit der Stadt Heidelberg. Die haben vor Ort ein Amt für unlösbare Aufgaben eingerichtet, aus dem eine stetige Zusammenarbeit mit dem dortigen Referat entstanden ist.

Was bedeutet für Sie Community bzw. Gemeinschaft?

Sylvia Hustedt, u-institut: Es braucht mehr Innovation Camps und LaboreDarunter verstehe ich ein Netzwerk, das lebt, in dem Neues entsteht – und das alles auf einer natürlichen, gewachsenen Vertrauensbasis. Im Kontext des u-instituts gibt es zwei Netzwerke: Einmal die Community aller Kreativpiloten, die wir seit 2010 ausgezeichnet haben (das sind mittlerweile 256) und einmal die über hundert Fellows des Kompetenzzentrums. Beide Netzwerke leben von dem engen Kontakt und Austausch mit uns und vor allem untereinander. Gerade die Fellows sind eine sehr heterogene Gruppe aus Bauunternehmer*innen, Professor*innen, Verwaltungsleiter*innen, Designer*innen, Theatermacher*innen etc. und alle bringen Impulse aus ihrer ganz eigenen Profession mit in die Gruppe hinein. Was sie verbindet, ist das Interesse an Innovationsprozessen und an Zukunftsgestaltung.

Welche Veranstaltung hat Sie zuletzt so richtig begeistert?

Generell gefallen mir Formate, bei denen die Form zum Inhalt passt. Außerdem springt bei mir der Funke über, wenn in einer Veranstaltung diejenigen zu Wort kommen, um die es geht. Das hört sich so selbstverständlich an, kommt aber viel seltener vor, als man denkt. Die gute Mischung macht‘s.

Sylvia Hustedt, u-institut: Es braucht mehr Innovation Camps und LaboreDie letzte externe Veranstaltung, die mich sehr begeistert hat war das Rimini Protokoll: Staat 1-4 im HKW: Mal wieder ein Geniestreich des Kollektivs. In Form von spielerischen, theatralischen und technischen Inszenierungen zum Mitmachen, wurden aktuelle politische und gesellschaftliche Konzepte, Strukturen und Entwicklungen hinterfragt. Auch die Eröffnung von Urban Nation, dem Urban Art Museum in der Bülowstraße fand ich mit dem gekonnten Zusammenspiel von drinnen und draußen sehr gelungen.

Welche Sprecherinnen*, Moderatorinnen* oder Künstlerinnen* haben Sie zuletzt so richtig begeistert?

Es gibt viele spannende Künstler, Moderatoren und Speaker, die weniger im Rampenlicht stehen, deren Arbeit aber sehr viel Impact hat. Da fallen mir spontan Daniel Kerber mit morethanshelters ein oder Christian Zöllner und Julian Adenauer von The Constitute, einem 3-D-Atelier in Berlin, die alle sehr interessante Schnittstellen-Projekte durchführen. Außerdem der Gamedesigner Christoph Brosius, der ein begnadeter Moderator ist, und als Speaker für unser Thema auch nach über 10 Jahren immer wieder: Christoph Backes.

Sylvia Hustedt

Welcher ist Ihr liebster Veranstaltungsraum/-ort?

Sylvia Hustedt, u-institut: Es braucht mehr Innovation Camps und LaboreIch mag Plätze, die mich überraschen, ich kann mich aber nicht auf einen bestimmten Raum festlegen. Wir besuchen regelmäßig Maker-Spaces, Werkstätten, Ateliers, Produktionsstätten, Labs und vieles mehr. Mich begeistern Räume, die von und für Menschen gestaltet sind, in denen gelebt und gearbeitet wird, in denen man Neues erlebt – wie Pop-up-Orte, die aus ganz gewöhnlichen Plätzen ungewöhnliche und erzählende Begegnungsstätten machen. Aktuell fällt mir da zum Beispiel die Floating University in Berlin-Kreuzberg ein. Die befindet sich inmitten eines Regenwasserauffangbeckens. Viel Potenzial bieten außerdem Orte wie der Flughafen Tempelhof.

Welche Event- oder Begegnungsformate gibt es noch zu wenig?

Ich würde sehr gerne selbst noch mehr Pop-up-Plattformen schaffen. Außerdem finde ich die richtige Inszenierung eines Events sehr wichtig. Das fehlt vielen Veranstaltungen noch.

Für die aktuell relevanten Fragestellungen wie digitaler Wandel, New Work usw. benötigen wir mehr Innovation Camps und Labore, in denen Unternehmen, Experten und alle, die sich dafür interessieren, zusammenkommen und gemeinsam auf Augenhöhe an neuen Lösungsansätzen arbeiten können. Also mehr Orte, an denen Menschen auf andere treffen, denen sie sonst nicht begegnet wären, und mit ihnen ins Arbeiten kommen.

Wie messen Sie den Erfolg von Veranstaltungen und wie könnte das noch besser gelingen?

Die Wertschöpfungsfrage und wie man den Mehrwert von Veranstaltungen hart nachweisen kann, ist eine spannende Frage, mit der wir uns gerade auch sehr beschäftigen. Den Wert einer Veranstaltung kann man nicht wirklich mit herkömmlichen Mitteln wie Besucher*innenzahlen oder Promifaktor bemessen. Eine Veranstaltung kann für ihre Teilnehmer*innen sehr unterschiedlichen Mehrwert schaffen. Aber sie gelingt zumindest dann, wenn alle Beteiligten das Gefühl haben, etwas mitzunehmen.

Sylvia Hustedt, Gin & Genius | u-institut, Berlin-Mitte – 31.05.2018

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Oh, das ist eine spannende Frage. Wieviel Platz habe ich?

Kurz gesagt: Kontaktieren sollten mich alle diejenigen, die Interesse an einem Austausch an Schnittstellen zu anderen Branchen haben und die neue Impulse für ihre Unternehmens- oder Organisationsentwicklung suchen. Leute, die inspirierende Menschen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft treffen möchten oder die einen tollen Raum zur Verfügung haben und jemanden suchen, der ihn mit innovativen Ideen füllt.

Spannend sind vielfach aber auch ganz unerwartete, nicht zielgerichtete Kontakte.

Wo finden wir Sie im Internet?

Außerdem noch auf Facebook, Instagram, Twitter und LinkedIn
/kreativ_bund bzw. bei Facebook /KompetenzzentrumKulturKreativWirtschaft
/kreativpiloten
/u-institut

Und zu guter Letzt: Wem sollten wir diese Fragen auch mal stellen – wer ist aus Ihrer Sicht eine großartige Menschenvernetzerin*?

Da möchte ich gerne zwei, mir sehr am Herzen liegende Menschenvernetzerinnen* nennen:

Sylvia Hustedt, u-institut: Es braucht mehr Innovation Camps und LaboreMona Rübsamen. Mona ist geschäftsführende Gesellschafterin bei flux.fm, einem urbanen Netzwerk für Kreative und Macher. Sie ist Pionierin des Privatradios und eine begnadete Vernetzerin über Altersstufen und Fachthemen hinweg.

Sylvia Hustedt, u-institut: Es braucht mehr Innovation Camps und LaboreJonas Lindemann. Jonas ist Mitgründer und Geschäftsführer von Hafven. Der Hafven ist der Coworking Space und Maker Space in Hannover, jedoch zu allererst das Zuhause einer einzigartigen Community aus Startups und Innovatoren. Jonas beschäftigt sich mit dem Co-Everything – dem gemeinsamen Zugang der Vielen zu Wissen, Dingen und Diensten.

Beides tolle Gesprächspartner und Vernetzerinnen*.

 

Fotos: William Veder

* Männer sind mitgemeint

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