Jana Mänz: Meine Vision sind plastikfreie, recycelbare Bücher

Seit 2009 werden die Fragen unserer Interviewreihe von inzwischen über 700 Menschen beantwortet, die »was mit Büchern« bzw. Publishing machen. Unser Ziel ist es seit jeher, die Blackbox Buchwelt damit zu öffnen und die Leute noch enger in den Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern oder im Bereich Publishing?

Jana Mänz: Meine Vision sind plastikfreie, recycelbare Bücher

Ich heiße Jana Mänz und arbeite als freiberufliche Künstlerin mit den Leidenschaften: Fotografieren, Schreiben, Handbuchbinden. Nach meinem Studium der Geoinformatik habe ich 10 Jahre im Ernst Klett Schulbuchverlag als Multimedia-Redakteurin gearbeitet und mich dann 2011 selbstständig gemacht. Es hat sich schnell herausgestellt, dass meine Leidenschaft dem Schreiben von Sachbüchern und Artikel zum Thema Fotografie gilt. Seitdem habe ich mit und auch ohne Verlagsunterstützung 10 Sachbücher veröffentlicht. Das letzte Buch »Gefühl und Verstand – Naturfotografie« ist im Dezember 2021 erschienen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Einen typischen Arbeitstag habe ich als Künstlerin in dem Sinn nicht. Ich habe keine Routinen. Jeder Tag ist anders, mal bin ich draußen in der Natur und fotografiere, dann arbeite ich wieder an Texten oder an Webseiten. Oder ich bin wieder in der Buchbinderei bzw. wühle in der Erde in meinem kleinen Stadtgarten.

Wie verändert sich Ihre Arbeit (z.B. durch die fortschreitende Digitalisierung)?

Ich habe ursprünglich Geoinformatik und Fernerkundung studiert und seit Mitte der 1990er Jahre fast ausschließlich mit dem PC gearbeitet. Als Multimediamanagerin im Ernst-Klett-Verlag leitete ich moderne Software-Projekte und habe mich schon seit jeher dafür eingesetzt, digitale Techniken einzusetzen und entsprechende Schulungen angeboten. So ist es kaum verwunderlich, dass ich die letzten zwei Corona-Jahre ziemlich frustriert über die fehlende Bereitschaft der Schule meines Kindes war, digitalen Unterricht durchzuführen. Digitalisierung war also schon immer Inhalt meiner Arbeit.

Das Corona-Jahr 2020, das für mich das schwierigste Jahr meiner 10-jährigen Freiberuflichkeit gewesen ist, ist eine Zeit persönlicher Veränderungen gewesen. Ich hatte den Wunsch, dass ich zukünftig eine Arbeit mit mehr Wertschätzung machen möchte. Denn die Digitalisierung hat auch Schattenseiten. Gerade der Beruf der/des Fotografin/en hat durch die Digitalisierung gewaltig an Wertschätzung verloren. Das Bild macht scheinbar heute nur noch die teure, KI gesteuerte Kamera und das tägliche Veröffentlichen und Wegwischen von Milliarden Fotos im Social Media macht es nicht einfacher.

Durch mein Buchprojekt habe ich dann die Möglichkeit bekommen, die Handbuchbinderei zu lernen. Handwerk bedeutet so vieles: Wissen, Präzision, Hingabe, Leidenschaft, Ausdauer, Geduld, Fingerfertigkeit, Aufmerksamkeit. Wer denkt, dass die Handbuchbinderei ein einfaches Handwerk ist, der irrt gewaltig. Es gibt so viel zu lernen, zu verstehen. Man ist plötzlich mit Physik, Chemie und Mathematik beschäftigt – das sind eigentlich all die Themen, die ich zu Schulzeiten so gar nicht mochte. Aber hätte man mir damals die ungeliebten Naturwissenschaften mithilfe der Buchbinderei erklärt, hätte ich sicherlich viel mehr Spaß und Freude daran gehabt.

Jana Mänz: Meine Vision sind plastikfreie, recycelbare Bücher

In der Schaubuchbinderei, in der wir ausschließlich analoge teilweise über 100 Jahre alten Maschinen nutzen, tut es mir gut, mit den Händen zu arbeiten und in eine andere, scheinbar ausgestorbene Welt, abzutauchen. Ich bin froh, dass ich mit meinen 45 Jahren noch einmal die Chance bekomme, ein traditionelles Handwerk zu lernen und habe in der Werkstatt so viel Wertschätzung erfahren, die mir zuvor oft gefehlt hat.

Jana Mänz: Meine Vision sind plastikfreie, recycelbare Bücher

Daher gibt es mein Buch nur in der handgemachten Version, weil ich möchte, dass meine Leser*Innen das Buch mit all ihren Sinnen erfahren. Die Haptik und der Geruch des Graspapieres nach Sommerheu, die Ästhetik meiner gedruckten Naturfotografien auf Graspapier kann ein E-Book niemals wiedergeben – auch wenn ich E-Books sehr schätze. Die ökologische Ausstattung in Verbindung mit traditionellem Kunsthandwerk wie der japanischen und koptischen Bindung macht jedes Exemplar zu einem Einzelstück. In der handgemachten Herstellung spiegelt sich damit auch der Inhalt wider, Text, Fotografien und Form verbinden sich zu einer kunstvollen Einheit.

Welche Erfolge konnten Sie in letzter Zeit feiern?

Eigentlich zwei Erfolge: Zum einen, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, die Handbuchbinderei in der Schaubuchbinderei zu lernen und, damit zusammenhängend, mein zweiter Erfolg, dass ich es geschafft habe, mein neues Sachbuch nach vier Jahren vieler Widrigkeiten selber zu veröffentlichen. Das Besondere an dem Buch ist, dass ich es komplett in Handarbeit kunststofffrei herstelle.

Im Sommer 2020 war das nämlich der Punkt, der das Buchprojekt fast zum Erliegen gebracht hat. Ich habe nach zweijähriger Recherche keine Buchbinderei/Buchdruckerei gefunden, die mit mir das Problem der plastikfreien Buchproduktion angehen wollte. Heute verstehe ich die Gründe, aus denen die moderne Buchherstellung nicht mehr ohne Kunststoffe produzieren kann. Selbst der Einkauf von kunststofffreien Buchbindermaterialien ist sehr problematisch, sodass ich persönlich Materialien wie den Buchbinderfaden aus Biobaumwolle für die Koptische Bindung aus dem Kurzwarenbereich bezogen habe. Mithilfe meines Buchbindermeisters konnte ich einen Workflow entwickeln, mehrere hundert Bücher in Handarbeit herzustellen.

Mir ist natürlich bewusst, dass meine Art der Buchherstellung keine Lösung für die industrielle Buchproduktion ist. Aber ich möchte mit meinem Buchprojekt auf die Kunststoffproblematik in der Buchproduktion aufmerksam machen und eine mögliche Lösung zeigen. Seitdem ich den Dokumentarfilm »Plastic Planet« gesehen habe, war es mein Wunsch, auch selber etwas gegen die Kunststoffflut tun zu können. Nur allein, mein Bad und meine Küche plastikfrei auszustatten, war ein Anfang, aber darauf wollte ich mich nicht ausruhen. Es wäre zum Beispiel ein großartiger Erfolg, wenn Sachbücher, die das Thema »Plastikfrei leben«, Umwelt- und Klimaschutz, Ökologie usw. behandeln, selber ebenfalls kunststofffrei, umweltfreundlich hergestellt werden.

»Plastic Planet« im Internet ansehen

bpb-Doku: Plastic Planet (2015)

»Plastik ist aus dem heutigem Leben nicht mehr wegzudenken. Doch welche Risiken gehen von diesem Material aus? Regisseur Werner Boote lenkt den Fokus auf eine Welt, in der Plastik allgegenwärtig ist.«

Film komplett ansehen

(95 min)

#dokuliebe

Wo hakt es? Was ist eine Herausforderung, für die Sie eine Lösung suchen?

Ich würde mich freuen, wenn ich eine Möglichkeit bekommen würde, von meinem kunststofffreien Buchprojekt erzählen zu können, was mich antreibt und was ich mir wünsche, aber noch nicht realisieren konnte (z.B. mit Biofarben zu drucken).

Bücher werden heute aufgrund der vielen Kunststoffe nicht recycelt und stattdessen thermisch verwertet. Viele Bücher, u.a. aufwändige Bildbände, die optisch sehr schön aussehen und hochwertig wirken, gehören häufig auf den Sondermüll.

Ich möchte Menschen, die Bücher machen und gerne lesen, für das Thema sensibilisieren und ermutigen, auch über Widerstände hinweg, nachhaltiger im Verlagsbereich zu produzieren und sich nicht von Zertifikatehandel »grüner« Medienhäuser mit bunten Siegeln blenden zu lassen.

Meine Vision: die Produktion umweltfreundlicher, recycelbarer Bücher, die, unabhängig von der Auflagenhöhe, preiswert für alle Menschen erhältlich sind.

Wo finden wir Sie im Internet?

Unter:

Wen sollten wir auch mal fragen? Wer macht Zukunftsweisendes im Publishing?

Alle Menschen, die Freude an handgemachten, kunstvollen Büchern haben, die sich für ökologische und nachhaltige Herstellungsprozesse in der Buchproduktion interessieren und alle, die sich für Naturfotografie und eine andere Art der Ästhetik von gedruckten Fotografien begeistern.

Die Abschlussfrage darf natürlich nicht fehlen: Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

Eine gleichzeitig fantastische aber auch schwierige Frage, weil ich viele Bücher im Monat lese und es so unglaublich gute Bücher gibt. Doch zwei haben mich nachhaltig beeindruckt. Da wären zum einen der Roman »Namiko und das Flüstern« von Andreas Séché und zum anderen das Sachbuch »Das Ende ist mein Anfang« von Tiziano Terzani.

 

Foto (c) privat

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