Philipp Böhm: Ich bin Autor und arbeite für die Berliner Lettrétage

Seit 2009 werden die Fragen unserer Interviewreihe von inzwischen über 700 Menschen beantwortet, die »was mit Büchern« bzw. Publishing machen. Unser Ziel ist es seit jeher, die Blackbox Buchwelt damit zu öffnen und die Leute noch enger in den Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern oder im Bereich Publishing?

Philipp Böhm: Ich bin Autor und arbeite für die Berliner Lettrétage

Ich bin Autor beim Verbrecher Verlag. Mein Debütroman »Schellenmann« erschien 2019 und ein Erzählungsband ist für Anfang 2022 geplant. Außerdem arbeite ich für die Berliner Lettrétage im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Die Lettrétage ist ein Raum für die freie Literaturszene, aber auch für Indie-Publisher, für Literaturmenschen mit abseitigen Ideen und vor allem ein Ort, an dem viele Projekte zusammenlaufen. Aktuell bereiten wir den Fünften Branchentreff Literatur vor – ein Vernetzungstreffen für Selbstständige im Literaturbetrieb, das vom 18. Bis 20. Juni komplett digital stattfinden wird. Wir wollen über nachhaltiges Arbeiten im Literaturbereich diskutieren, über die Frage, wie Care-Arbeit und Schreibarbeit zusammengehen, und andere alltagsrelevante Themen. Ich finde es wichtig, solche Formen des Austauschs zu ermöglichen, weil ich sie mir selbst gewünscht hätte, als ich freiberuflich im Literaturbereich gearbeitet habe.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Vormittags E-Mails, Social Media und Zoom-Meetings mit meinem Team. Nachmittags dann ein anderer Schreibtisch und meine Texte, endlose Recherchen in obskuren Ecken des Internets und hin und wieder mal eine fertige Word-Seite. Viele Bildschirme, viel Sitzen an Tischen. Ich versuche, auf meinen Rücken zu achten.

Wie verändert sich Ihre Arbeit (z.B. durch die fortschreitende Digitalisierung)?

Langsamer, als viele Feuilletonisten behaupten, würde ich sagen. Mein Eindruck nach langen Monaten ohne Präsenzveranstaltungen im Literaturbereich und gezwungenem Ausweichen in die digitalen Räume, war, dass sich viele Aspekte des Alltags eben nicht digitalisieren lassen. Menschen gehen z.B. nicht auf eine Lesung, um einfach nur einen Text zu hören. Sie wollen Leute treffen, sich danach an der Bar austauschen und so weiter. »Literatur als soziale Praxis« nennen wir das bei der Lettrétage immer. Dasselbe gilt für das Arbeiten. Ich bin großer Befürworter des Home-Office als Möglichkeit. Aber mir fehlt auch der direkte Austausch sehr.

Welche Erfolge konnten Sie in letzter Zeit feiern?

Es ist immer schön, wenn es gelingt, Aufmerksamkeit auf ein Literaturprojekt zu richten, das neue Wege geht. Zuletzt ist beispielsweise auf Initiative der Lettrétage eine Literatur-Virtual-Reality-App entstanden, die gemeinsam von Berliner und Nowosibirsker Autor*innen und Künstler*innen entwickelt wurde. Mit einer einfachen Cardboard-Brille und einem regulären Smartphone konnte man sich durch eine kleine, virtuelle Welt bewegen. Die App (genannt »B.A.U.«) stand kostenfrei zum Download. Ein solches Projekt etwas bekannter zu machen, ist schon ein kleiner Erfolg.

Als Autor wiederum ist es eigentlich jedes Mal ein Erfolg, wenn ein Text zum Kommunikationsanlass wird. Wenn Leute das lesen, was ich schreibe, damit interagieren, sich Gedanken machen, Fragen haben – das ist für mich Erfolg als Autor. Aber es gibt auch konkretere Anlässe: zum Beispiel, dass ich gerade dabei bin, mein zweites Buchmanuskript fertigzustellen.

Wo hakt es? Was ist eine Herausforderung, für die Sie eine Lösung suchen?

Wie alle anderen habe ich zu wenig Zeit. Das ist aber schon okay so. Außerdem frustriert es mich regelmäßig, wenn ich feststelle, dass es abseitige, sperrige, verrätselte, innovative Literatur schwer hat, einen Raum zu finden – sei es in Verlagsprogrammen, auf Lesungen, in Besprechungen.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Alle, die sich für die freie Literaturszene und ihre Projekte interessieren. Alle, die sich mit mir über Literatur streiten wollen. Alle, die über Literatur schreiben. Alle, die auf der nächsten Messe ein Bier mit mir trinken wollen.

Wo finden wir Sie im Internet?

Wen sollten wir auch mal fragen? Wer macht Zukunftsweisendes im Publishing?

Wenn noch nicht geschehen: natürlich die Vertreter*innen der Prinzessinnengewerkschaft, auch bekannt als der Verbrecher Verlag. Außerdem: das Netzwerk freie Literaturszene Berlin, den Schlaufen-Verlag, der sich gerade gründet, und noch einige andere.

Die Abschlussfrage darf natürlich nicht fehlen: Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

Mariana Enriquez: »The Dangers of Smoking in Bed«

 

Foto (c) privat

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