Pauline Stolte: Ich bin Geschäfts­führerin der Arbeits­gemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten

Seit 2009 werden die Fragen unserer Interviewreihe von inzwischen über 700 Menschen beantwortet, die »was mit Büchern« bzw. Publishing machen. Unser Ziel ist es seit jeher, die Blackbox Buchwelt damit zu öffnen und die Leute noch enger in den Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern oder im Bereich Publishing?

Pauline Stolte: Ich bin Geschäfts­führerin der Arbeits­gemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten

Ich bin Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten, dem Dachverband von über 270 literarischen Einrichtungen im deutschsprachigen Raum. Wir arbeiten für eine bessere Vernetzung im Literaturbereich und setzen uns für die Förderung und Stärkung der Literaturszene ein. Kurz: Ich mache Lobbyarbeit für Literatur.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ein typischer Arbeitstag setzt sich zusammen aus vielen Telefonaten, E-Mails, Besprechungen und Gedanken, die zu Papier gebracht werden wollen und sollen. Fast täglich berate ich Mitglieder in Sachen Förderantragstellung oder spreche über mögliche Projekte und Planungen. Häufig führe ich Planungsgespräche mit Kooperationspartner*innen, den Kolleg*innen vom Bund oder plane mit meinem Team die nächsten Projektschritte. Den Rest meiner Zeit nutze ich für Anfragen, Netzwerkarbeit, Social-Media-Austausch oder einfach schnöde Büroarbeit. Und dann passieren viele spontane, oftmals interessante und immer unvorhergesehene Dinge und alles kommt sowieso ganz anders als eben noch aufgezählt!

Wie verändert sich Ihre Arbeit (z.B. durch die fortschreitende Digitalisierung)?

Digitalisierung ist in der Tat ein wichtiges Stichwort: In meiner täglichen Arbeit bedeutet dies ganz konkret, dass wir die Vereinsarbeit schrittweise digitalisieren – angefangen bei der Papierreduzierung in der Geschäftsstellentätigkeit bis hin zur überwiegend digitalen Vereinskommunikation.

In der inhaltlichen Arbeit ist es ein langer, aber lohnender Weg, digitale Strukturen für die Literaturwelt nutzbar zu machen. Entgegen aller Skepsis geht das gut und führt zu spannenden Synergien und neuen Möglichkeiten, die zu entdecken sind. Ich glaube, dass wir uns diesem Weg nicht länger verschließen können und dürfen – solange wir es schaffen, auch den bewährten Formaten Wertschätzung entgegenzubringen. Man kann man die klassisch-analoge Literaturvermittlung übrigens auch gut in der digitalen Welt sichtbar machen und Interesse an ihr wecken.

Auch die Arbeit unserer Mitglieder verändert sich dahingehend: Digitale Formate in Ergänzung zum klassischen Präsenzformat, E-Publishing, Podcasts, VR-Projekte, digitale Partizipation … meiner Meinung nach ist dieser Schritt notwendig, um generationenübergreifend sichtbar zu sein und den Ruf als oftmals elitärer oder weltfremder Kulturbereich zu überwinden. Die Kunst besteht darin, dabei die analogen Formate mitzunehmen und deren zeitlosen Wert und die gesellschaftliche Relevanz von Literatur in der digitalen wie analogen Welt zu vermitteln. Ein Abwägen zwischen Notwendigkeit, Chance und Anspruch.

Welche Erfolge konnten Sie in letzter Zeit feiern?

Zunächst freue ich mich über ein Jahr als Geschäftsführerin der ALG. Ein Jahr, in dem ich viele Dinge gelernt habe und gemeinsam mit dem Team Herausforderungen bewältigen konnte. Wenn dann die ersten Erfolge sichtbar werden, ist das besonders schön: Kürzlich hielten wir endlich unsere Publikation im Projekt »Vererbt, vergöttert, vergessen. Über die Bedeutung und Vermittlung von Literatur als kulturelles Erbe« in der Hand. Gibt’s natürlich auch als digitale Version. 😉 Anfang September findet unsere große Konferenz »Literafutur. Impulse für die Literaturförderung der Zukunft« statt. Dass wir diesen bislang einzigartigen Branchenaustausch in nur wenigen Monaten auf die Beine stellen konnten, freut mich sehr. Und die Anmeldezahlen für die Konferenz zeigen: Netzwerkarbeit ist wichtig!

Wo hakt es? Was ist eine Herausforderung, für die Sie eine Lösung suchen?

Ich wünsche mir, dass wir die Literaturvermittlung zukünftig inklusiver gestalten können. Dafür fehlen leider oftmals die Kapazität oder die Expertise. Projekte werden ohnehin schon eng gestrickt – finanziell, personell, strukturell. Inklusion ist dadurch oft nicht allzu weit oben in der Prioritätenliste angesetzt, dabei sollte der Ansatz, möglichst viele Menschen mitzudenken, eigentlich kein Luxus, sondern eine Selbstverständlichkeit sein.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Wer Kontakte, Kooperationspartner*innen und Netzwerke für Literaturprojekte sucht, ist bei uns in der ALG genau richtig. Wir beraten und vermitteln auch gerne bei der Gründung von Vereinen oder Initiativen im literarischen Umfeld. Hilfreich für mich ist der Austausch mit anderen Menschen in Verbandsstrukturen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der täglichen Arbeit. Und ich freue mich über alle Menschen, die die Projekte unserer Mitglieder weitertragen oder besuchen.

Wo finden wir Sie im Internet?

Wen sollten wir auch mal fragen? Wer macht Zukunftsweisendes im Publishing?

Wie wäre es mit 272 Interviews der 272 ALG-Mitglieder: Literaturvereine, Literaturmuseen, Gesellschaften, Literaturhäuser, Literarische Zentren… 😊 Ein Blick in unser Mitgliederverzeichnis lohnt sich. Dort finden sich sehr unterschiedliche und kreative Ansätze, Ideen und Strategien, die eine Sache vereint: Alle machen sich Gedanken über die Zukunft von Literatur.

Außerdem sammeln wir in unserer Geschäftsstelle in Berlin-Kreuzberg die Publikationen unserer Mitglieder. Diese »Bibliothek« ist mit den Jahren zu einer spannenden Buchwelt herangewachsen.

Die Abschlussfrage darf natürlich nicht fehlen: Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

Meine zeitlos gültige Antwort auf diese Frage: »Die vierzig Tage des Musa Dagh« von Franz Werfel. Es gehört zu den eindrücklichsten und spannendsten Büchern meines bisherigen Lektürelebens.

 

Foto (c) Joern Dudek

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