Lilli Meinhardis: Ich habe mich von einer Scheidungs­anwältin in eine Liebes­roman­autorin und Schreib­lehrerin verwandelt

Seit 2009 werden die Fragen unserer Interviewreihe von inzwischen über 700 Menschen beantwortet, die »was mit Büchern« bzw. Publishing machen. Unser Ziel ist es seit jeher, die Blackbox Buchwelt damit zu öffnen und die Leute noch enger in den Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern oder im Bereich Publishing?

Lilli Meinhardis: Ich habe mich von einer Scheidungs­anwältin in eine Liebes­roman­autorin und Schreib­lehrerin verwandelt

Mich von einer Scheidungsanwältin in eine Liebesromanautorin zu verwandeln, war ein Sprung ins Ungewisse, denn auf den ersten Blick könnten diese beiden Tätigkeiten gegensätzlicher nicht sein. Verstand gegen Gefühl.

Ich bin meinem Gefühl gefolgt, als ich nach 10 kopflastigen Jahren als Anwältin (Familienrecht, internationales Unternehmensrecht) 2016 meine Robe an den Nagel gehängt und als Frau von Mitte 30 einen beruflichen Neustart gewagt habe. »Ich möchte Schriftstellerin werden!«, stand für mich fest. So bin ich kurzerhand von Frankfurt nach Berlin gezogen, um an der Alice Salomon Hochschule den Masterstudiengang »Biografisches und Kreatives Schreiben« zu belegen, den ich Anfang 2020 mit Auszeichnung abgeschlossen habe.

Parallel zum Studium habe ich angefangen, die Geschichten, die in mir geschlummert haben, aufs Papier zu bringen. So habe ich seit 2018 jedes Jahr ein Manuskript fertiggestellt.

Seit mein Romandebüt im Februar 2023 in einem Verlag erschienen ist, darf ich mich nun offiziell Schriftstellerin nennen. Ich schreibe unter den Pseudonymen Lilli Meinhardis (zeitgenössische Liebesromane) und Arabella Meran (historische Romane). Seit März 2023 bin ich Mitglied in der Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautorinnen und -autoren (DELIA).

Gleichzeitig bin ich auch seit über 3 Jahren Studienleiterin (Fernlehrerin) an der Schule des Schreibens, wo ich über 30 Schreibende in den Romanwerkstätten über einen Zeitraum von 30 Monaten individuell unterrichte und ihre Romanprojekte betreue. Hierbei erlebe ich jeden Tag, wie groß die Träume von angehenden Autor*innen sind und mit wie viel Herzblut oft schon seit Kindestagen geschrieben wird. Immer wieder führen mir meine Schreibschüler*innen vor Augen, wie sehr das Geschichtenerzählen ihnen – und auch mir selbst – ein inneres Bedürfnis ist. Aber es tritt auch zutage, wie schwer das Schreibhandwerk ist – das man jedoch erlernen kann und muss, um Erfolg zu haben.

Wobei sich der Erfolg in diesem Metier selten in Geld und Ruhm zeigt. Vielmehr muss man sich auf dem hart umkämpften Buchmarkt als Autor*in glücklich schätzen, seine Geschichte zwischen zwei Buchdeckeln wiederzufinden und möglichst viele Lesende zu gewinnen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich kann verraten, dass ich eine Nachteule bin und meine beste Schreibzeit in den Abend- und Nachtstunden liegt. Sobald es draußen dunkel wird und die Welt langsam zur Ruhe kommt, laufe ich zu kreativen Hochtouren auf. Wenn ich dann gegen 1 Uhr nachts meinen Computer ausschalte, gehe ich gerne noch in nächtlicher Stille spazieren.

Morgens schlafe ich bis 9 oder 10 Uhr aus. Der Vormittag ist für mich quasi der »Feierabend«, an dem ich es ruhig angehen lasse. Dann schaue ich mir gerne TV-Dokus an, oft auch als Recherche für ein Romanprojekt.

Am Nachmittag beginnt für mich der Arbeitstag. Zuerst widme ich mich den Korrekturen und dem Lektorat der Texte meiner Schreibschüler*innen. Auch beantworte ich E-Mails und kümmere mich um organisatorische Dinge, die meine Autorintätigkeit betreffen.

Dazu gehören auch regelmäßige Zoom-Calls mit Kolleginnen. Ich bin Teil einer informellen Autor*innengruppe (ins Leben gerufen von Susanne Popp und Petra Hucke, die auch den Podcast »Frauenleben« produzieren) von 12 professionell Schreibenden. Wir tauschen uns über das Schreiben und die Verlagswelt aus, was sehr bereichernd ist.

Somit verwende ich etwa ein Drittel meiner Zeit als Schreiblehrerin, die übrigen zwei Drittel stecke ich in meine Romanprojekte. Zum Glück bin ich als Freiberuflerin flexibel in meiner Arbeitseinteilung – was aber auch oft bedeutet, dass ich an sieben Tagen der Woche arbeite. Urlaub gönne ich mir leider viel zu selten.

Wie verändert sich Ihre Arbeit (z.B. durch die fortschreitende Digitalisierung)?

Das heißeste Thema, was mich als Autorin in den letzten Monaten bewegt hat, trägt den Namen »ChatGPT«. Der Aufschrei (Jubel und Angst) über diese KI war und ist laut. Werden wir Autor*innen in naher Zukunft von der KI ersetzt werden? Die gesamte Buchbranche ist betroffen, aber auch andere Kulturschaffende wie Illustrator*innen, Fotograf*innen, Maler*innen, Musiker*innen, Sprecher*innen.

Ich habe die Fähigkeiten von ChatGPT als Romanautorin ausgiebig getestet und bin vorerst zu dem beruhigenden Ergebnis gekommen, dass die in Sekundenschnelle produzierten Texte voller Mängel sind, was das Schreibhandwerk und die literarische Qualität angeht. Die KI ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, eine Dramaturgie zu entwerfen, psychologisch stimmige Figuren zu erschaffen und eine Sprache einzusetzen, die einem vorgegebenen Genre, der Zeit und dem Milieu gerecht wird (z.B. historisch angehaucht oder Jugendsprache). In den Dialogen gibt es keinen Subtext, keine Stimme, keinen Stil. Humor? Fehlanzeige.

Vielmehr strotzen die Texte vor Stereotypen und Klischees. Es wird die Mehrheitsmeinung reproduziert, wobei es gewisse »ethische« Schranken gibt. ChatGPT hat sich z.B. geweigert, eine erotische Szene zu schreiben. Keusche Küsse waren das höchste der Gefühle. Als Liebesromanautorin mag das tröstlich sein. Eine starke Konkurrenz, was das Erstellen neuer Romane durch die KI angeht, sehe ich also nicht.

Dennoch gibt es sicherlich einige Bereiche, in denen ChatGPT schneller und billiger Texte generieren kann, als menschliche Autor*innen. Zum Beispiel Nachrichten oder die Auswertung von Daten für den Börsen- oder Wetterbericht. Im Journalismus gilt aber auch hier, dass es einen menschlichen Faktencheck geben muss, sonst droht eine Flut von Fake News.

So habe ich ChatGPT auch als Recherchetool bei meiner Romanarbeit getestet und dem Bot konkrete Fragen zu historischen Begebenheiten gestellt. Die gelieferten Antworten waren voller faktischer Fehler, wie meine eigene Kontroll-Recherche ergeben hat. Auch sind die Ergebnisse mangels Quellenangaben nicht überprüfbar und somit auch nicht belastbar. In meinem Schreiballtag nützt mir die KI also nicht.

Was mir allerdings große Sorgen macht, ist die unentgeltliche Nutzung der Werke von uns Kreativen durch Tools wie ChatGPT. Diese KIs werden gefüttert mit Texten und Bildern von Menschen, die jedoch für ihre Arbeit nicht bezahlt werden.

Es ist dringend nötig, dass hier der Gesetzgeber (in den USA, aber auch in allen anderen Ländern) aktiv wird und das Urheberrechtsgesetz anpasst und weitere rechtliche Rahmenbedingungen schafft, die das immaterielle und materielle Eigentum der Kreativen schützt und bei Nutzung auch entlohnt. Das Europäische Parlament hat bereits einen Gesetzesentwurf zur Regulation von KI vorgelegt.

Einen wichtigen Vorstoß gemacht haben hier die US-Komikerin Sarah Silverman und zwei weitere Autoren, Christopher Golden und Richard Kadrey, mit ihrer Klage in den USA gegen OpenAI, den Entwickler der Plattform ChatGPT, sowie gegen Facebook-Mutterkonzern Meta. Die Klagenden wehren sich dagegen, dass OpenAI und Meta ihre urheberrechtlich geschützten Werke (Bücher) ohne deren Zustimmung, ohne Nennung und ohne Vergütung kopiert haben und in ihren Programmen nutzen.

Aber auch die Verbraucher*innen müssen m.E. geschützt werden, indem Produkte (wie Bücher) gekennzeichnet werden müssen, wenn eine KI an der Erstellung beteiligt war. Dies sind alles drängende Bedürfnisse der Kulturschaffenden, die leider keine starke Lobby haben.

Welche Erfolge konnten Sie in letzter Zeit feiern?

Das Jahr 2023 ist wirklich ein Jubeljahr für mich, denn nach 5 Jahren beständiger Arbeit an meinen Manuskripten und nach einer Durststrecke von Agentur- und Verlagssuche mit unzähligen Absagen kann ich endlich meinen Durchbruch als Autorin feiern. Denn es kommen 3 Romane von mir heraus.

Mein Debüt »Das Lachen der Pinguine« (als Arabella Meran) ist im Februar 2023 bei Tinte & Feder (Amazon Publishing) erschienen, im Oktober kommt pünktlich zur Frankfurter Buchmesse mein zweiter historischer Roman »Im Takt ihrer Träume« im selben Verlag heraus.

Mit meinen zeitgenössischen Liebesromanen konnte ich den Piper Verlag überzeugen, so dass meine dreibändige »Alles grün«-Reihe in diesen Tagen erscheint: »Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen« unter meinem Pseudonym Lilli Meinhardis kommt Ende August heraus, Band 2 (»Waffelherzen«) und Band 3 (»Pralinenküsse«) folgen Anfang 2024.

Es ist ein erhebendes Gefühl, endlich die Früchte meiner Arbeit ernten zu können. Ich arbeite auch schon fleißig an meinen nächsten Romanprojekten.

Wo hakt es? Was ist eine Herausforderung, für die Sie eine Lösung suchen?

Jedes neue Romanprojekt ist eine Herausforderung, auch wenn ich schon auf einige Erfahrung zurückgreifen kann. Besonders bei historischen Stoffen türmt sich am Anfang die Fülle an Ideen und Informationen vor mir auf wie ein unbezwingbarer Berg. Aber ich habe gelernt, meinen persönlichen »Mount Everest« Schritt für Schritt zu erklimmen, manchmal ohne wirklich absehen zu können, was mich am Gipfel oder beim Abstieg erwartet. Aber der Entdeckungsgeist ist auch eine mächtige Triebfeder. Mir bereitet es große Freude, mich in neue Themen und Lebenswelten einzuarbeiten. Für »Das Lachen der Pinguine« bin ich u.a. in die Welt der Walfänger in der Antarktis in den 1930er Jahren eingetaucht. Ungleich genussvoller war meine Recherche für »Das kleine Kräutercafé«, wo ich in einer Backstube den Konditormeisterinnen in die Töpfe und auf die geschickten Finger geschaut habe.

Wenn das Manuskript dann endlich fertig ist, folgt jedes Mal wieder die Zitterpartie, ob es ein gutes Verlagszuhause finden wird.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Verlagslektor*innen, die meine Romane verlegen wollen, sind mir immer willkommen. Auch bin ich offen für Presseleute oder Kolleg*innen, die gemeinsame Projekte wie z.B. einen Podcast mit mir machen möchten.

Wo finden wir Sie im Internet?

Auf meinem Blog: www.ulrikearabella.de

Und auf Instagram: @arabella_meran_autorin & @lilli_meinhardis_autorin

Wen sollten wir auch mal fragen? Wer macht Zukunftsweisendes im Publishing?

Ich schlage die Autorin Petra Schier vor, die zudem auch Vorsitzenden der Jury des DELIA-Literaturpreises ist. Sie setzt sich mit viel Engagement dafür ein, dass gerade neue Autor*innen (so wie ich) im Netzwerk von DELIA mit Rat und Tat unterstützt werden. Mit dem Literaturpreis für Liebesromane wird außerdem dafür gesorgt, dass dieses Genre und seine Autor*innen die Anerkennung erhalten, die sie verdienen.

Die Abschlussfrage darf natürlich nicht fehlen: Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

»Kunststücke« von Rolando Villazón (erschienen 2016 bei Rowohlt). Als großer Opernfan kannte ich Rolando Villazón zunächst nur als temperamentvollen Tenor. Doch der Mexikaner ist überaus vielseitig (auch seit einigen Jahren als Regisseur erfolgreich) und hat mich als Schriftsteller positiv überrascht. In seinem philosophischen und dabei humorvollen Werk geht es darum, was es bedeutet, ein Künstler zu sein – mit allen Höhenflügen, Zweifeln, Schmerzen und Abstürzen – aber die Schaffenskraft bricht sich immer ihre Bahn, wenn man sie nur lässt. Der Roman hat mich zutiefst beeindruckt und auch motiviert, meinen eigenen kreativen Weg als Schriftstellerin zu gehen.

 

Foto (c) Veronika Hautz

Anzeige (falls eingeblendet)

Schreibe einen Kommentar