Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)
Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?
Ich bin die stellvertretende Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Frankfurt (unser zweites Standbein ist der Gründungsstandort in Leipzig), also so etwas wie die Frankfurter Hausdirektorin. Wir haben allein hier in Frankfurt rund 10 Millionen Medieneinheiten, wie z.B. Bücher und andere Veröffentlichungsformen, in den Magazinen.
Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt seit 1913 alle Publikationen, die in Deutschland erscheinen, daneben die deutschsprachigen Veröffentlichungen des Auslands, Übersetzungen deutscher Autoren und Bücher über Deutschland. Pro Tag gehen in Leipzig und Frankfurt jeweils gut 1700 einzelne Medien ein! Die müssen von den Kolleginnen und Kollegen so bearbeitet werden, dass sie zunächst in unserem Katalog und dann in unseren Magazinen wiedergefunden werden. Genutzt werden können die Medien in den Lesesälen vor Ort. Wir freuen uns über die vielen Besucher, die wir haben.
Seit 2006 sammeln wir übrigens auch digitale Bücher. Sie können ebenfalls in unseren Lesesälen genutzt werden. Wenn der Rechteinhaber uns die freie Anzeige erlaubt, oder wenn die Werke mit einer entsprechenden Lizenz versehen sind, können sie sogar über das Internet genutzt werden.
Als Ressortleiterin Benutzung der Deutschen Nationalbibliothek bin ich dafür zuständig, unsere Bestände möglichst leicht für die Benutzerinnen und Benutzer zugänglich zu machen. In Projekten engagiere ich mich außerdem dafür, frei im Internet verfügbare Werke sichtbar zu machen. Besonders hervorzuheben sind die Deutsche Digitale Bibliothek und die noch in diesem Herbst startende virtuelle Ausstellung „Künste im Exil“.
Neben diesem beruflichen Arbeitsfeld verschlinge ich Bücher im Privaten nahezu – gedruckt wie elektronisch.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Die Aufgabenfelder, Projekte und Planungen der Deutschen Nationalbibliothek sind sehr vielfältig und das spiegelt sich in den Inhalten meiner Arbeitstage wider. Ich beginne um 8.30 Uhr mit der Sichtung der neuesten Emails, ab 9.30 Uhr finden in der Regel Sitzungen, Besprechungen, Treffen mit Vertretern anderer Bibliotheken oder sonstiger Kultureinrichtungen oder natürlich mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus statt.
Die Themen solcher Sitzungen oder Treffen sind oft Organisations- und Managementfragen, aber auch Diskussionen über Kooperationen mit Anderen (Kultureinrichtungen, Verlagen oder Verbänden, Industrie), über Digitalisierung, Standardisierungs- und andere bibliotheksfachliche Fragen oder Ausstellungen und Veranstaltungen – um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien wie der deutschen UNESCO-Kommission, der IFLA, dem Kompetenznetzwerk Deutsche Digitale Bibliothek und einigen weiteren bringt eine große Zahl von Tagen mit sich, an denen ich gar nicht im Frankfurter Büro bin, sondern an Konferenzen, Tagungen und Besprechungen bei den Partnern teilnehme.
Nicht gerade typisch für jeden Tag, aber doch beliebt sind kulturelle Abendveranstaltungen, wie Ausstellungseröffnungen und Lesungen bei uns im Haus oder in anderen Kultureinrichtungen.
Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?
Inhaltlich hat sich meine Arbeit natürlich mit jeweils neuen Aufgaben und steigenden Zuständigkeiten im Laufe meines Berufslebens immer wieder verändert, auch wenn die Kernaufgaben der Bibliothek selbst gleich blieben. Mit wachsender Verantwortung haben meine Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommen und ich bin nicht mehr in alle Detailprozesse des Bibliotheksalltags eingebunden. Aber die technischen Veränderungen sind enorm, die sich in meinem bisherigen Berufsleben ergeben haben:
Zu Beginn meiner Zeit in der Bibliothek habe ich mit Schreibmaschine geschrieben, die Informationen über unsere Bücher und andere Medien waren in sogenannten Zettelkatalogen versteckt und die Publikation eines Heftes der Deutschen Nationalbibliografie dauerte mehrere Wochen – man kann es sich heute gar nicht mehr vorstellen. Von der Schreibmaschine ging es dann über sog. Schreibautomaten oder ‚dumme Terminals‘ schnell zum Computer über, sowohl im persönlichen Arbeitsbereich als auch bei den Benutzerservices. Heute sind wir in der täglichen Arbeit völlig vom PC abhängig, unsere Benutzer kennen nur noch Online-Kataloge, Suchmaschinen und Internet. Wir kommunizieren elektronisch schneller, als früher, Videokonferenzen ersetzen einen Teil der früher notwendigen Reisen, unser Katalog ist mit digitalisierten und durchsuchbaren Inhaltsverzeichnissen angereichert und die Prozesse der Medienbearbeitung werden wenigstens teilweise automatisiert – nicht nur für elektronische Veröffentlichungen. Das ist eine technische Revolution innerhalb von knapp 30 Jahren!
Seit ich angefangen habe Führungsverantwortung zu übernehmen, hat sich aber eines nicht geändert: Die Bedeutung der direkten Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen. Mit E-Mails, Videotelefonie und anderen digitalen Systemen sind neue Mittel hinzugekommen. Das persönliche Gespräch, der direkte Austausch kann durch nichts ersetzt werden.
Seit einigen Jahren ändern sich nun auch die Medien selbst, Bücher werden digital. Auch dies beeinflusst die Arbeitsläufe und natürlich unsere Services für die Benutzer in der Bibliothek.
Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?
Die Mengenbewältigung ist bei uns ein großes Problem. Wir sammeln ja alles, was in Deutschland erscheint – und das bedeutet, dass wir pro Jahr sowohl in Frankfurt wie in Leipzig jeweils ca. 400.000 neue Medien ins Haus bekommen. Für die Sammlung, die Langzeitarchivierung und die Anzeige dieser Masse an Veröffentlichungen müssen zumindest in Teilen vollständig neue Verfahren entwickelt werden.
Gleichzeitig sind – wie in anderen öffentlichen Einrichtungen auch – die personellen Ressourcen sehr begrenzt und können nicht nach Bedarf erweitert werden. Wir arbeiten daher intensiv an automatischen Bearbeitungsmethoden für die vielen Publikationen, die wir ins Haus bekommen, wissen aber, dass wir hier noch viel vor uns haben.
Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?
Kontaktieren kann mich selbst oder auch meine Kolleginnen und Kollegen im Haus eigentlich jeder, ein Gedankenaustausch ist immer hilfreich.
Ich persönlich spreche derzeit gerne mit Visionären über die Zukunft der Bücher und der Bibliotheken. Wie lange wird das Buch als Medium noch bestehen, in welchem Umfang? Wie muss man sich dann die Bibliothek der Zukunft vorstellen, räumlich und von ihrem Serviceangebot her? Für mich spannende Fragen, da ich in meiner Führungsrolle natürlich auch an die Zukunft denken muss…
Wo finden wir Sie im Internet?
Im Internet findet man mich über die Website der DNB www.dnb.de. Unsere Bibliothek ist auch in Facebook und Twitter aktiv, hier posten wir regelmäßig die neuesten Nachrichten: www.facebook.com/Deutsche Nationalbibliothek und www.twitter.com/DNB_aktuelles
Vielen Dank für Ihre Zeit!
Bildquelle: Ute Schwens