Charlotte Reimann: Ich organisiere das vielleicht größte Kinderliteratur-Festival im ländlichen Norden

Seit 2009 werden die Fragen unserer Interviewreihe von inzwischen über 700 Menschen beantwortet, die »was mit Büchern« bzw. Publishing machen. Unser Ziel ist es seit jeher, die Blackbox Buchwelt damit zu öffnen und die Leute noch enger in den Austausch zu bringen.

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern oder im Bereich Publishing?

Charlotte Reimann: Ich organisiere das vielleicht größte Kinderliteratur-Festival im ländlichen Norden

Mein Name ist Charlotte Reimann. Ich bin ehrenamtlich Initiatorin und Kuratorin des ersten Preetzer Lesefests am 12. Juni 2021. Gemeinsam mit Stadtbücherei, Volkshochschule und Familienzentrum organisiere ich das vielleicht größte Kinderliteraturfestival im ländlichen Norden. Eingeladen haben wir Autorinnen, Illustratoren, Theatermacherinnen, Musiker und Slampoeten. Schirmherrin ist Aminata Touré.

Außerdem arbeite ich als Projektmanagerin bei der Stiftung Bildung in Schleswig-Holstein und betreue dort das Förderprogramm Chancenpatenschaften, mit dem z.B. Poetry-Slam-Projekte an Schulen oder Vorlese-Projekte in Kindergärten umgesetzt werden können.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich starte morgens am Laptop im Homeoffice. Bei der Stiftung Bildung arbeiten wir komplett in der Cloud. Meine Kollegen und ich sitzen in verschiedenen Bundesländern und tauschen uns regelmäßig über Microsoft Teams aus. Auch unsere Infoveranstaltungen und die Beratung von Bildungseinrichtungen zu den Chancenpatenschaften finden aufgrund der Pandemie momentan nur digital statt.

Um 14 Uhr hole ich die Kinder mit dem Rad aus der Kita ab. manchmal sitze ich dann um 16 Uhr wieder am Schreibtisch und kümmere mich um die Organisation des Lesefests. Mit den anderen Veranstalterinnen verabrede ich mich via Zoom. Eigentlich könnten wir uns prima hier vor Ort treffen, denn Preetz ist eine Kleinstadt und die Wege sind nicht weit, aber wegen Corona vermeiden wir dies. Abends nach Feierabend schreibe ich meistens noch Texte für die Lesefest-Website, Pressemitteilungen oder E-Mails an Sponsoren, Kooperationspartner und Kreative.

Wie verändert sich Ihre Arbeit (z.B. durch die fortschreitende Digitalisierung)?

Es ist toll, dass ich zu Hause arbeiten kann und damit lange Wege wegfallen. So lässt sich der Job gut mit kleinen Kindern vereinbaren. Ich vermisse die gemeinsamen Mittagspausen mit Kolleginnen und abendliche Vernetzungstreffen. Ich mag allerdings auch den Austausch und die Inspiration über soziale Netzwerke wie LinkedIn oder Instagram. Darüber bekomme ich mit, was andere Kulturinstitutionen oder Akteure für ein Programm machen. Mit etwas Glück entwickeln sich daraus Kooperationen oder gemeinsame Projekte.

Eine Achterbahn der Gefühle ist die Veranstaltungsplanung in der Pandemie. Wir werden wohl erst eine Woche vor dem Fest erfahren, ob wir feiern dürfen. Daher findet nun ein Großteil der Lesungen und Workshops in Schulen und Kindergärten statt, da öffentliche Veranstaltungen derzeit immer noch verboten sind.

Welche Erfolge konnten Sie in letzter Zeit feiern?

Wir haben für das Lesefest rund 8.000 Euro an Literaturförderung von der Bundesregierung und dem Literarischen Colloquium eingeworben. Außerdem unterstützen uns zahlreiche Sponsoren, Institutionen sowie Preetzer Vereine und Geschäftsleute. Ich finde es toll, wie viele Menschen in Preetz Lust haben, sich am Lesefest zu beteiligen! Denn genau das ist unser Ziel: ganz Preetz und möglichst viele Kinder fürs Lesen zu begeistern und gemeinsam ein großes Fest zu feiern.

Charlotte Reimann: Ich organisiere das vielleicht größte Kinderliteratur-Festival im ländlichen Norden

Wo hakt es? Was ist eine Herausforderung, für die Sie eine Lösung suchen?

Unsere Idee, möglichst viele Menschen zusammenzubringen, ist in Pandemie-Zeiten natürlich schwierig. Als wir letzten Sommer anfingen, das Fest unter dem Motto »Literatur auf dem Spielplatz« zu planen, waren wir recht optimistisch. Nun hoffen wir, dass im Juni kulturelle Veranstaltungen im Freien wieder erlaubt sein werden – oder wir doch noch die Chance bekommen, das Preetzer Lesefest als Modellprojekt in Schleswig-Holstein durchzuführen.

Mich beschäftigt noch etwas anderes: Hier auf dem Land gibt es anders als in einer Großstadt wie Kiel oder Berlin kaum kulturelle Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche. Es fehlen soziale Orte, wo große und kleine Menschen zusammenkommen, sich inspirieren lassen und selbst kreativ werden können. Das Lesefest ist der Versuch, einen solchen kreativen Ort zu schaffen und ein Netzwerk aufzubauen. Doch das kostet viel Zeit und müsste hauptamtlich koordiniert werden, um eine langfristige Perspektive zu entwickeln.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren? Welche Art von Kontakten wäre hilfreich?

Sehr willkommen wäre Unterstützung bei der Genehmigung des Lesefests am 12. Juni 2021 als Modellprojekt oder außerschulisches Angebot der kulturellen Kinder- und Jugendbildung. Besonders freuen würde ich mich über den Erfahrungsaustausch mit anderen Kulturinitiativen in ländlichen Räumen, die es geschafft haben, eine langfristige Finanzierung sicherzustellen.

Wo finden wir Sie im Internet?

Das Lesefest auf www.lesefest-preetz.de, auf Instagram und Facebook. Mich selbst auf charlotte-reimann.de sowie LinkedIn und Twitter und die Chancenpatenschaften der Stiftung Bildung unter www.stiftungbildung.org/sh und in fast allen sozialen Netzwerken.

Wen sollten wir auch mal fragen? Wer macht Zukunftsweisendes im Publishing?

Die Bücherpiraten e.V. in Lübeck! Ein Haus voller Bücher und randvoll mit Ideen, wie man Kinder fürs Lesen begeistern kann, mit selbst übersetzten Bilderbüchern und Jugendlichen, die ihr eigenes Literaturfestival organisieren.

Die Abschlussfrage darf natürlich nicht fehlen: Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

»Von hier an anders« von Robert Habeck. Ich muss allerdings zugeben, dass ich es nicht gelesen habe, sondern mich seine Lesung beeindruckt hat. Außerdem der Comicroman »Planet Omar«, weil er mich auf unterhaltsame Weise mitgenommen hat in die Welt eines Achtjährigen mit Ramadan und Zuckerfest.

 

Foto (c) ) privat & Holger Förster

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